Aus gutem Grund heißen die Hauptmoderatoren der Nachrichtensendungen „Anchormen“ respektive „Anchorwomen“ – sie stehen für das Angebot des jeweiligen Senders, der Zuschauer weiß sofort, wo er ist. Wie groß schätzen Sie den Imageschaden, wenn jetzt vertraute ARD-Gesichter bei RTL und ProSieben* Nachrichten „verkaufen“?
Einen Imageschaden kann ich wirklich nicht erkennen. Dass Journalisten den Arbeitgeber wechseln, ist durchaus üblich und auch im Printbereich verbreitet. Offenbar gelingt es uns, Talente zu finden und zu fördern. Denn eine Abwerbung ist ja das Ergebnis dieser guten Ausbildung und Weiterentwicklung. Die ARD leistet damit auch einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag für den Erhalt des Qualitätsjournalismus – über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinaus.
Von den Namen abgesehen – fürchten Sie nicht um Ihr Quasi-Monopol als Informationssender, wenn die Privaten jetzt so massiv aufrüsten?
Da bin ich natürlich gespannt, was die kommerziellen Mitbewerber tatsächlich an Innovationen im Nachrichtenbereich bieten. Die ARD* hat das größte Korrespondentennetz, das Erste den größten Informationsanteil aller Sender hierzulande. Wir haben sicher kein Monopol, auch kein Quasi-Monopol, aber wir haben die größte Expertise, aus Sicht der Zuschauer die höchste Glaubwürdigkeit und die qualitativ besten Angebote. Und müssen damit auch keine Konkurrenz fürchten.
Die Zeiten gemeinsamer, senderübergreifender Kanzlerduelle scheinen vorbei zu sein. Bedauern Sie das?
Die Zeit der Kanzlerduelle ist schon deshalb vorbei, weil es inzwischen mindestens drei Kandidaten gibt, die realistische Chancen haben, Kanzlerin oder Kanzler zu werden. Und dass nicht auf allen vier großen Fernsehkanälen gleichzeitig eine identische Fragerunde mit vier Moderatoren ausgestrahlt wird, finde ich nicht so bedauerlich. Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die kommerziellen Sender an unterschiedlichen Tagen ihre eigenen Formate mit den Kanzlerkandidaten zeigen, kann das für den politisch interessierten Zuschauer nur von Vorteil sein.
Wie rüsten Sie sich für die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs? Gibt es Pläne für eine Zusammenarbeit mit dem ZDF?
Wir haben am 12. September – wie gewohnt zwei Wochen vor der Bundestagswahl – das Triell gemeinsam mit dem ZDF im Programm. Am 6., 7. und 15. September stellen sich die Kanzlerkandidatin und die beiden Kanzlerkandidaten in den „Wahlarenen“ zudem live den Fragen der repräsentativ ausgewählten Zuschauerinnen und Zuschauern. Unser Angebot zur Wahl und zum Wahlkampf umfasst insgesamt mehr als 1500 Minuten an Sondersendungen wie Gesprächsrunden, Dokumentationen, Analysen und Reportagen. Diese Extra-Sendungen im Ersten – über unsere politischen Magazine und Talkformate hinaus – werden auch im Hinblick auf die vielen Erstwähler um eine intensive Präsenz im Netz ergänzt. Es gibt eigene Formate für die Mediathek und auf verschiedenen Social-Media-Kanälen.
Sechs Wochen lang, bis Ende Juli, wird es keinen einzigen ARD-Polittalk geben. Ist das in einem Wahljahr angemessen? Hätte man die Sommerpausen nicht so legen müssen, dass wenigstens ein Format pro Woche zu sehen ist?
Die abendlichen Gesprächsrunden gehen zeitversetzt in die Sommerpause. Etwa sechs Wochen sind – Stand jetzt – „Anne Will“, „Hart aber fair“ und „Maischberger – Die Woche“ nicht eingeplant. Die Redaktionen sind aber jederzeit in der Lage, flexibel auf die aktuelle Lage zu reagieren. In der Zwischenzeit macht der „Bericht aus Berlin“ seine „Sommerinterviews“, der „Presseclub“ pausiert gar nicht. Und über Wahlen und den Bundestagswahlkampf haben wir, wie schon erwähnt, zahlreiche Sondersendungen, auch Gesprächsrunden und Town-hall-Formate zusätzlich im Programm. Die Zuschauerinnen und Zuschauer werden über den (Vor-)Wahlkampf im Ersten umfassend informiert. *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.