FIS testet neue Windregel - Späth und Herr vor Comeback

Frankfurt/Main - Der Sommer-Grand-Prix wird zum Testlauf für eine revolutionäre Regeländerung im Skispringen und sorgt sechs Monate vor den Olympischen Winterspielen für kontroverse Diskussionen unter Athleten und Funktionären.
Erstmals in der Geschichte wird beim Auftakt der Sommer-Serie am Wochenende in Hinterzarten der Sieger mit Hilfe einer neuen Wind-Formel ermittelt, die der Internationale Skiverband (FIS) erarbeitet hat. Um Verzögerungen oder Abbrüche wegen wechselnder Windbedingungen künftig auszuschließen, wird zudem das Dogma abgeschafft, nach dem alle Teilnehmer in einem Durchgang mit der gleichen Anlauflänge vom Bakken gehen müssen. "Ich stehe dem Experiment sehr positiv gegenüber", sagte Bundestrainer Werner Schuster.
Keine Gnade findet die neue Regel dagegen bei Weltcupsieger Gregor Schlierenzauer. "Das gefällt mir nicht. Äußere Einflüsse soll man nicht dem Computer und dessen Berechnungen überlassen. Gewinnen soll der Athlet, der am weitesten springt und die beste Show bietet", erklärte der zum Auftakt fehlende Österreicher. Auch Martin Schmitt sieht dem Experiment mit gemischten Gefühlen entgegen. "Ich bin eher skeptisch und gespannt, wie sich das auswirkt", sagte der Vize-Weltmeister. Im Interesse seines Top-Springers fordert Schuster daher vor Beginn der Weltcup-Saison eine "knallharte Evaluation" durch den Weltverband.
In der komplizierten Formel entspricht ein Meter Anlauflänge etwa fünf Metern Sprungweite. In die Berechnung des Sprungs fließen zudem die jeweiligen Windbedingungen ein. Je stärker der Rückenwind, desto höher der Faktor, der mit dem ermittelten Weitenwert multipliziert wird.
FIS-Renndirektor Walter Hofer setzt große Hoffnungen in den Test. "Die Jury gewinnt durch das neue Reglement in Extremsituationen größeren Handlungsspielraum und kann mit dem Balken hinauf- oder hinunterwandern. Der Faktor Glück wird kontrollierbarer", sagte Hofer.
Ob die Regel im kommenden Winter eingeführt wird, sei aber ungewiss. "Vielleicht ergibt sich eine partielle Veränderung des Weltcup-Reglements, vielleicht wird das neue Reglement auch verworfen", erklärte Hofer. Größtes Hindernis bei der Umsetzung könnte eine mangelnde Transparenz für die Fans sein. "Der Zuschauer wird noch weniger Einsichten bekommen und sich wundern, wenn der Athlet mit einem kürzeren Sprungversuch gewinnt", unkte Schlierenzauer. Selbst Jouko Törmänen, Chef der FIS-Kommission Sprunglauf, meinte: "Das neue System ist im nächsten Winter nur dann zu sehen, wenn klare Vorzüge augenscheinlich sind. Vor allem müssen die Zuschauer verstehen, was geschieht."
Angesichts der Regel-Diskussion rückte das sportliche Comeback von Georg Späth und Alexander Herr im Vorfeld fast in den Hintergrund. Vorjahressieger Späth kehrt ein Jahr nach seinem Kreuzbandriss auf die Schanze zurück, Herr wagt drei Jahre nach seinem Rücktritt aus dem deutschen Team einen Neustart. "Er hat in den internen Vergleichen einen guten Eindruck hinterlassen. Wir wollen sehen, wie stark er wirklich ist", begründete Schuster die Nominierung des 30-Jährigen für die nationale Gruppe.
Von Eric Dobias, dpa