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Neureuther im Merkur-Interview: Was ihn noch mehr stört als sein Olympia-Aus

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Von: Julia Pawlovsky

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Felix Neureuther
Felix Neureuther im Gespräch mit Merkur-Redakteurin Julia Pawlowsky. © Thomas Plettenberg

Felix Neureuther schuftet nach seinem Kreuzbandriss an seinem Comeback. Seine Prioritäten haben sich aber durch die Geburt seiner Tochter geändert. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Schliersee – Es ist ein Idyll. Vor den großen Panaromafenstern spiegeln sich tief verschneit Jägerkamp und Brecherspitz im eisgrauen Schliersee, drinnen vor der Schieferwand stillt Miriam Neureuther (27) Töchterchen Matilda. Was nach Urlaub aussieht, ist nur die Mittagspause. Felix Neureuther, Deutschlands bester Skirennläufer, ist in Schliersee, um zu arbeiten. Seine Familie hat er aus Garmisch-Partenkirchen mitgebracht, denn im Osteozentrum von Martin „Mascht“ Auracher stehen täglich viele Stunden Reha auf dem Programm. Nach seinem Kreuzbandriss Ende November kämpft der 33-Jährige für sein Comeback.

Herr Neureuther, wie sieht Ihr Tagesablauf in der Reha aus?

Felix Neureuther: Es ist ein straffes Programm. Heute in der Früh um kurz nach sieben hat’s mit Behandeln angefangen. Dann war ich zweieinhalb Stunden im Kraftraum trainieren und noch eine Stunde im Wasser. Jetzt Interview und kurzes Mittagessen, und dann geht’s gleich bis abends weiter.

Hatten Sie auch mal Besuch von anderen Weltcup-Fahrern?

Neureuther: Es kommen ja eh viele zum Behandeln her, egal ob der Marcel Hirscher, Michael Matt, Beat Feuz, Christoph Innerhofer, die Vicky (Rebensburg, Anm. d. Red.) natürlich, und, und, und. Es sind eh alle Skifahrer da. Es ist immer ein Kommen und Gehen.

Sie haben zu Beginn der Reha ein Foto Ihrer geschwundenen Oberschenkelmuskulatur auf Facebook gepostet. Hat es Sie überrascht, dass das so schnell ging?

Neureuther: Das habe ich total erschreckend gefunden. Vor allem war ich so unvorbereitet. Ich bin jetzt nicht einer, der sich oft im Spiegel anschaut. Ich hatte anfangs einen Thrombosestrumpf. Hier schau’ ich dann das erste Mal in den Spiegel und denk’ mir: Habe d‘Ehre, was ist mit meinem Oberschenkel passiert?

Sie haben seit Jahren Rückenprobleme und müssen zusätzlich zum Ski-Training Reha machen. Wo nehmen Sie über so einen langen Zeitraum die Kraft und die Motivation her?

Neureuther: Zum Aufhören macht mir das Skifahren zu viel Spaß. Und das Rennenfahren. Wenn du an einem Punkt bist, wie ich vor der Saison, wo du gleich das erste Rennen gewinnst und siehst, dass du mit 33 Jahren echt noch ein sehr, sehr hohes Niveau erreichen kannst, da denkst du nicht ans Aufgeben. Da denkst du nur, wie kann ich so schnell es geht wieder zurückkommen. Und es geht sowieso immer weiter. Es ist immer ein Kampf – egal ob im Sport oder im Leben. Es gibt immer Tiefschläge. Das Wichtigste ist einfach, dass man positiv nach vorne schaut und das Beste aus der Situation macht. Und das mache ich jetzt auch.

Sie haben zuerst überlegt, auf die Operation zu verzichten. Was hat Sie umgestimmt?

Neureuther: Das Knie war einfach zu instabil. Für mich war ein Punkt, da habe ich gesagt: Okay, ich glaube nicht, dass es für mich machbar ist, dass ich in sechs Wochen topfit bin und um den Sieg mitfahren kann. Dieses Eingeständnis hat dazu geführt, dass ich mich habe operieren lassen. Aber es war wichtig, dass ich es probiert habe. Schon allein vom Kopf her. Ich denke aber auch, für mein späteres Leben. Ich kann sagen: Okay, ich habe es probiert, es hat nicht funktioniert. Dann aber auch hinzugehen und zu sagen: Weißt was, vergiss’ die Saison. Jetzt lasse ich mich operieren und geh’ den anderen Weg.

Das Bittere ist, dass Sie vermutlich noch nie so gut in Form waren und gleich mit einem Sieg gestartet sind.

Neureuther: Es war natürlich nicht einfach. Auch vom Kopf her nicht. Aber es gibt Schlimmeres im Leben, das muss man ganz klar sagen.

Haben Sie’s inzwischen verarbeitet?

Neureuther: Ja, schon lange. Verletzung akzeptiert, verarbeitet, alles gut.

Sie haben es vorhin angesprochen, Sie sind nicht der einzige Weltcup-Fahrer im Osteozentrum von Ihren größten Konkurrenten Marcel Hirscher haben Sie selbst hierher vermittelt. Schneiden Sie sich da nicht ins eigene Fleisch?

Neureuther: Wenn jemand von mir Hilfe braucht, dann bin ich selten einer, der Nein sagt. Das war beim Marcel so. Ihm ist es vor einem Rennen nicht gut gegangen. Dann habe ich gesagt: weißt was, ich kenn’ da einen am Schliersee, der kann dir sicher helfen. Der Mascht und der Max (Merkel, Komapgnon Aurachers, Anm. d. Red.) haben ihm helfen können, und der Marcel hat das Rennen gewonnen. Ich bin Zweiter geworden. Aber letzten Endes sollte auch der Beste gewinnen und das mit fairen Mitteln. Es macht mir nur Spaß, den Marcel zu schlagen, wenn er auch topfit am Start steht. Und nicht, wenn er angeschlagen ist.

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Hirscher wird bei den Olympischen Spielen starten, Sie nicht. Setzt Ihnen das noch zu?

Neureuther: Das ist natürlich bitter, weil Olympia nur alle vier Jahre ist. Wenn du dann genau die Saison verpasst, ist das sehr, sehr ärgerlich. Aber mei, es hilft nix. Ich kann jetzt nicht den Kopf in den Sand stecken, nur weil ich die Olympischen Spiele verpasse. Was mir ehrlich gesagt mehr ausmacht, sind die ganzen Weltcup-Rennen. Gerade jetzt der Januar mit Zagreb, Adelboden, Wengen, Kitzbühel, Schladming, Garmisch – das sind alles so schöne Rennen, und die zu verpassen, das stört mich mehr als Olympia.

Die Spiele 2018 hätten ja auch in München und Ihrem Heimatort Garmisch-Partenkirchen stattfinden können.

Neureuther: Das ist schon traurig, wenn man sich vorstellt, dass jetzt Olympische Spiele bei uns hätten stattfinden können und was das für eine tolle Geschichte für Deutschland gewesen wäre. Vor allem auch für Europa. Aber das IOC hat so entschieden.

Eine zweite Bewerbung wollten die Bürger in München und Garmisch-Partenkirchen dann nicht mehr. Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit wieder Spiele in Deutschland stattfinden werden?

Neureuther: Wenn sich nicht dramatisch was ändert an den Olympischen Spielen, dann wird’s in Deutschland in den nächsten 30, 40 Jahren sicher keine Olympischen Spiele geben.

Sie waren in Sotschi. Für die Spiele dort wurde – wie auch jetzt in Pyeongchang – ein komplett neues Skigebiet in einer abgelegenen Region errichtet. Wie haben Sie die Spiele in Russland erlebt?

Neureuther: Es waren künstliche Spiele. Ich habe Vancouver erlebt, da ist das ganze Land dahinter gestanden. Die Leute haben so eine Freude an den verschiedenen Veranstaltungen und vor allem am Sport gehabt. Wie viel Jugend da auch begeistert wurde, um Sport zu machen. Das war in Sotschi leider überhaupt nicht der Fall. Der Olympische Gedanke hat mir da so ein bisschen gefehlt. In Vancouver war das komplett was anderes. Und so sollte es ja eigentlich sein.

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Zurück zu Ihnen: In Ihrem Leben hat sich zuletzt einiges getan. Ihre Tochter Matilda kam zur Welt, Sie haben geheiratet. Ändern sich da die Prioritäten?

Neureuther: Absolut. Wir sind jetzt eine Familie, das ist das Schönste und Wichtigste, was es gibt im Leben. Da steht der Sport ganz, ganz weit hinten. Deshalb fällt’s mir auch sehr, sehr leicht, mit der Verletzung umzugehen.

Wie sieht nun Ihr Plan für die nächsten Monate aus?

Neureuther: Die Reha dauert schon noch eine Zeit lang. So intensiv am Schliersee geht’s bis Mitte Februar. Dann werde ich einiges von daheim in Garmisch aus machen, aber immer wieder herkommen. Aber nicht die ganze Woche so wie jetzt. Dann wird’s immer weiter reduziert, bis ich halt nicht mehr auf die heilenden Hände vom Mascht angewiesen bin.

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Aber die schaden ja nie.

Neureuther: Das stimmt. Allein schon, wenn du die Silvia, die gute Seele der Praxis, am Empfang siehst, geht’s dir gut. Außerdem macht sie die beste Kältetherapie.

Ist trotz des straffen Programms auch mal Urlaub mit der Familie drin?

Neureuther: Wir gehen im April nach Norwegen. Wir haben da eine Hütte und bleiben zwei Wochen. Das ist unser Urlaub.

Es ist ja nicht nur die Reha, Sie haben derzeit auch unzählige Presse- und PR-Termine. Nervt das manchmal?

Neureuther: Das ist Teil des Spiels. Aber wenn ich denke, wie meine nächsten drei Wochen ausschauen, also puh. Ich war jetzt am Wochenende in Kitzbühel, diese Woche bin ich wieder in Schliersee, habe hier einen Termin. Dann muss ich nach Hamburg fliegen, dann wieder her. Dann ist das Garmisch-Wochenende, dann wieder her. Es ist immer was geboten. Deswegen bin ich heilfroh, dass die Miri mit der Kleinen da ist.

Wie hilft Ihnen Ihre Frau mit ihrer Erfahrung als Leistungssportlerin, mit der Verletzung umzugehen?

Neureuther: Es ist ja nicht meine erste Verletzung. Ich bin drei Mal an der Schulter operiert worden. Das ist jetzt meine fünfte Knieoperation, ich weiß nicht, wie viele Bandscheibenvorfälle ich hatte ...

Ein körperliches Wrack also.

Neureuther: Fast, noch kann ich gehen (lacht). Aber es hilft sehr, wenn der Partner weiß, wie man dann mit dem anderen umgehen muss. Wenn’s mal nicht so gute Tage gibt, wenn das Knie wehtut. Oder auch, wenn’s gut geht, wird man wieder auf den Boden geholt. Das tut gut.

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Ist schon abzusehen, wann Sie das erste Mal wieder auf Skiern stehen werden?

Neureuther: Ich denke, so im Mai werde ich wieder anfangen, langsam Ski zu fahren. Ich habe jetzt überhaupt keinen Stress. Ob ich im Mai, Juni oder Juli starte, das ist nicht von so großer Bedeutung. Aber ein Ziel im Kopf brauchst du und einen Plan. Und den haben wir, der Stefan Luitz (ist auch im Osteozentrum, Anm. d. Red.) und ich. Im Mai wollen wir wieder auf Ski stehen. Und das sollte hinhauen.

Also ist der Saisonstart 2018 gesichert?

Neureuther: Ja, wenn alles normal läuft schon. Und wenn nicht, dann ist der Mascht schuld oder die Silvia (lacht).

Felix Neureuther
Felix Neureuther. © Thomas Plettenberg

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