Vettel: Die Titelrechnung

Suzuka - Sebastian Vettel hat es in der Hand. Gewinnt der Red-Bull-Pilot die letzten Saisonrennen, ist er Weltmeister. In knapp zwei Wochen kommt aber die größte Unbekannte in der Titelrechnung.
Sebastian Vettel reist erst gar nicht heim, auf seiner World Tour zum WM-Titel will er noch drei Länder erobern. “Wenn ich die nächsten drei Rennen gewinnen würde, wäre alles in Ordnung. Von daher muss das das Ziel sein“, sagte der Red-Bull-Pilot aus Heppenheim. Nach seinem beeindruckenden Sieg in Japan kann der 23-Jährige aus eigener Kraft in die Fußstapfen von Michael Schumacher treten und der erste deutsche Formel-1-Weltmeister seit 2004 werden. Er wäre zudem der jüngste Titelträger überhaupt.
Die internationalen Medien würdigten Vettels fabelhaften Auftritt im Land der Höflichkeiten. Für den englischen “Daily Mail“ ist Vettel bereits “on top of the world“. Das Boulevardblatt “The Sun“ stellte fest: “Vettel ist der Herr im Hause.“ Die italienische “La Gazzetta dello Sport“ urteilte: “Wenn er so fährt, ist Vettel unschlagbar.“ Und der französische “Le Parisien“ prognostizierte: “Vettel hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen.“
Sebastian Vettel: Der Frauenschwarm ohne Helm
Kein Wunder, dass auch Christian Horner schwärmte, nachdem Ausrutscher und Übereifer Vettel in diesem Jahr auch massive Kritik eingebracht hatten. “Eine von Sebastians Charakterstärken ist sein Glauben an sich selbst“, sagte der Red-Bull-Teamchef. “Und ich denke, dass er nicht nur für einen Moment daran gedacht hat, raus aus der Meisterschaft zu sein.“
Doch Vorsicht: Sollte der auf der Kippe stehende Grand-Prix- Premiere auf dem neuen Kurs im südkoreanischen Yeongam gecancelt werden, würden sich Vettels Chancen schlagartig verschlechtern. Er hätte dann nur noch zwei Möglichkeiten, den Rückstand von 14 Punkten auf seinen Teamkollegen Mark Webber wettzumachen. Bis Dienstag will sich eine Kommission des Internationalen Automobil-Verbandes FIA unter Leitung des technischen Delegierten Charlie Whiting vor Ort ein Bild verschaffen. Dann soll eine Entscheidung fallen.
Vettel stellt sich darauf ein, in Yeongam fahren zu können, auch wenn dort erst in der vergangenen Woche die letzte Asphaltschicht aufgetragen wurde. “Korea ist eine neue Strecke für alle von uns. Mal schauen, welches Auto dort vielleicht ein bisschen besser liegt als andere“, sagte er.
Unabhängig davon, ob sich in nur noch zwei oder doch drei Läufen die WM entscheidet, weiß der in Suzuka zweitplatzierte Webber: “Ich muss in Zukunft auch wieder mal gewinnen.“ Denn außer Vettel muss der Australier auch den ebenfalls 14 Punkte Rückstand aufweisenden zweimaligen Weltmeister Fernando Alonso im Ferrari fürchten.
Gewinnt Vettel die kommenden Rennen in Südkorea, Brasilien und Abu Dhabi und Webber wird jedes Mal Zweiter, sackt der Hesse insgesamt 21 Punkte mehr ein und ist Champion. Dies gilt auch für Alonso. Selbst wenn Südkorea gestrichen werden sollte, würden dem Deutschen und dem Spanier zwei Siege reichen, da sie dann selbst im Fall von Punktgleichheit dank der höheren Zahl an Saisonerfolgen (5 bzw. 6) die Nase vor Webber (4) hätten.
Raus aus dem Rennen, aus eigener Kraft die WM-Krone holen zu können, ist das Weltmeister-Gespann von McLaren mit Titelverteidiger Jenson Button (31 Punkte zurück) und Lewis Hamilton (-28). Die beiden Engländer müssen auf Fehler des Führungstriumvirats hoffen.
Weitere Pannen will sich Vettel nach zahlreichen Pleiten und Patzern in diesem Jahr aber auf gar keinen Fall mehr leisten. Nach Südkorea geht es auf der Weltreise zum WM-Titel nach Südamerika. Der legendäre Kurs in Sao Paulo liegt dem Red Bull. Das gilt noch mehr für die neue Strecke auf Yas Island in Abu Dhabi, wo am 14. November das vermutlich alles entscheidende Finale steigt. Dort gewann Vettel bei der Premiere vor einem Jahr.
Auch sonst stimmen die Vorzeichen: In Suzuka gelang es bis zum Sonntag nur zwei Fahrern, einen Sieg aus dem Vorjahr zu wiederholen. 1999 war es Mika Häkkinen, von 2000 bis 2003 gewann dort Michael Schumacher. Und beide waren am Jahresende jeweils Weltmeister. “Das ist ein gutes Omen“, meinte Vettel und machte dem ersten Kurs, auf dem er zwei Rennen gewann, gleich eine Liebeserklärung.
dpa