Dreierkette mit offensiven Außen -
Löwen mit Löw-Taktik?

Die Dreierkette hatte schon einen besseren Ruf. Sie wird noch lange an das frühe deutsche EM-Aus erinnern - bei 1860 könnte sie nun trotzdem salonfähig werden.
Variable Taktik, flexible Spieler – auf dem Weg zum angestrebten Aufstieg wollen die Löwen für ihre Gegner noch schwerer auszurechnen sein. Nun ist es nichts grundsätzlich Neues, dass Michael Köllner seine Matchpläne individuell ausgestaltet, stets die moderne Trainingslehre im Blick. Neu ist aber, dass die gute alte Viererkette ausgedient zu haben scheint – und der 1860-Coach mit einer Grundordnung liebäugelt, die zuletzt ein wenig in Verruf geraten ist. Stichwort Dreierkette; seit der EM untrennbar mit dem zuletzt glücklosen Joachim Löw verbunden.
Was die Frage aufwirft: Will Köllner seine Löwen mit der umstrittenen Löw-Taktik ins Aufstiegsrennen schicken? In den drei Testspielen der bisherigen Vorbereitung hat er viele Spieler ausprobiert, dabei aber stets auf eine Dreierabwehrkette gesetzt. Beim 8:2 gegen Heimstetten wählte er ein offensives 3-1-4-2-System mit U 17-Aufrücker Wicht, Belkahia, Salger hinter dem Solo-Sechser Dressel. Beim 0:1 gegen Ried war die Grundordnung identisch und die Dreierkette ähnlich besetzt (Wicht, Lang, Salger). Das 2:1 gegen Klagenfurt schließlich wurde auf der Homepage des Vereins als 5-3-2-System dechiffriert. Bedeutet: Defensiver Dreierverbund (Belkahia, Moll, Salger) mit zwei offensiven Außen. Um den Bogen zurück zur EM zu spannen: Neuzugang Yannick Deichmann hat rechts den Kimmich gegeben, Phillipp Steinhart auf links den Gosens.
Systeme zu vergleichen, ist immer schwierig. Unseres ähnelt aber nicht dem der deutschen Nationalmannschaft .
Von unserer Zeitung zu seinen Taktikplänen befragt, schmunzelt Köllner erst mal: „Diese Fragen bedürfen eigentlich einer 45-minütigen Antwort, mindestens. Es ist schwierig, so ein komplexes Thema auf zwei, drei Sätze zu reduzieren.“ Weil Taktik aber seine Leidenschaft ist, über die er sogar Bücher schreibt, machte er sich trotzdem die Mühe. Köllners Kernbotschaft: „Systeme zu vergleichen, ist immer schwierig. Unseres ähnelt aber nicht dem der deutschen Nationalmannschaft – schon wegen der Tatsache, dass wir in der Regel mit einem echten Neuner spielen, manchmal sogar mit zweien.“
Dazu kommt das Credo des Löwen-Trainers, dass Systeme nie etwas Starres sind, sondern in erster Linie als Orientierung dienen. „Ein Sascha Mölders interpretiert die Rolle als vorderster Stürmer anders als ein Kevin Volland, wenn man mal einen unserer Ex-Löwen als EM-Teilnehmer anführen möchte.“ Von taktischen Fesseln hält der frühere DFB-Koordinator für Talentförderung nichts: „Jeder Spieler hat in jedem System genügend Freiheiten.“
Für Köllner ist es folglich nichts Revolutionäres, wenn Lang, Belkahia und Salger künftig an Löws Abwehrreihe mit Ginter, Hummels und Rüdiger erinnern. „Wir haben letztes Jahr auch meistens mit Dreierkette gespielt – im eigenen Ballbesitz. Letztlich ist das nur eine Weiterentwicklung unseres Spielstils. Nichts Dramatisches. Nach außen schaut das spektakulärer aus, als es ist.“ Was ihn dazu veranlasst, eine Grundordnung mit Dreierkette zu forcieren: In Kevin Goden (22, aus Nürnberg) und dem Ex-Lübecker Deichmann hat er zwei Profis dazubekommen, die aufgrund ihrer Athletik für ein System mit schnellen Außen prädestiniert sind.
Und Taktik hin, Taktik her: Am Ende bleibt zu hoffen, dass Köllners Löwen mit der Dreierkette mehr Glück und Erfolg beschieden ist als Löw bei seinem letzten Turnier als Bundestrainer.