Ein Spektakel als Nervennahrung für den TSV 1860 und die leidgeprüften Fans

Der TSV 1860 München behielt in einem spektakulären Spiel gegen den MSV Duisburg die Oberhand. Für die Fans war es ein ganz besonderer Samstag.
München – Abschiedsnostalgie lag über dem Grünwalder Stadion, als dieses wilde Traditionsduell zwischen bissigen Löwen und nie aufgebenden Zebras aus Duisburg beendet war. Aus den Boxen schepperte der gute alte 60er-Marsch – und keiner hatte es eilig, nach Hause zu gehen. Weder die Fans auf den Rängen noch die 1860-Profis auf dem Rasen, die ihren hart erkämpften 3:2-Sieg genüsslich auskosteten. Jeder wusste: Es könnte angesichts der Corona-Lage länger dauern, dass man mal wieder so unbeschwert zusammenkommt.
TSV 1860: Fans erlebten gegen Duisburg eine Achterbahnfahrt
Umso emotionaler das 90-minütige Spektakel, mit dem die Löwen ihren Anhang noch einmal verwöhnten. Die da waren, unter den offiziell 15 000 erstmals auch Ex-Trainer Daniel Bierofka, erlebten eine Achterbahnfahrt, an die man im dunklen Pandemie-Winter gerne zurückdenken wird. Früher Rückstand nach einer Koproduktion zweier MSV-Oldies (Flanke Stoppelkamp, Kopfball Bouhaddouz/10.), zügiger Ausgleich durch einen von Phillipp Steinhart verwandelten Foulelfmeter (16.), 2:1-Führung nach einem Geniestreich von Sascha Mölders, der zwei Gegenspieler auf engstem Raum austanzte und präzise mit links einschoss (54.). Danach jedoch: Entsetzen auf den Rängen. Steinhart lässt das 3:1 liegen, was eine Kopie des 1:1 gewesen wäre: Foul von Gembalies an Stefan Lex, Steinhart tritt erneut an und visiert auch wieder die rechte Ecke an, was MSV-Keeper Leo Weinkauf allerdings ahnte (65.). Die Strafe folgte auf dem Fuße – durch eine Direktabnahme von Orhan Ademi (68.).
Das nächste Unentschieden? Diesmal nicht. Marcel Bär war in der 73. Minute zur Stelle, nachdem ihn der überragende Lex mustergültig bedient hatte – mit seinem dritten Assist an diesem Nachmittag. „Lexi spielt den Ball blind in die Mitte, ich stehe goldrichtig und muss ihn nur noch einschieben“, beschrieb Bär den Hergang dieses 3:2 – und im Magenta-Interview die unmittelbaren Auswirkungen: „Sie müssen mir nur ins Gesicht schauen: Ich bin überglücklich!“
Köllner: „Das ist das Schönste, dass wir die Leute in dieser schwierigen Pandemie-Zeit glücklich machen“
Mit diesem Gefühl war er nicht allein nach einem Spiel, das den schwarzen Samstag zwei Wochen zuvor vergessen machte. „Nach der Niederlage in Osnabrück war die Länderspielpause elendig lang für uns“, berichtete Trainer Michael Köllner, der sichtlich erleichtert war, dass sich die Mannschaft mit so einer imposanten Reaktion zurückgemeldet hat. „Das war beste Werbung für den Fußball“, fand er: „Hut ab vor den Jungs. Von diesem Spiel werden die Zuschauer auch noch morgen und übermorgen reden. Das ist das Schönste, dass wir die Leute in dieser schwierigen Pandemie-Zeit glücklich machen.“ Was seine eigene Gefühlslage angeht, verwies er auf das als Trainer ohnehin strapazierte Nervenkostüm: „Ich habe mich bewusst für diesen Job entschieden – wohlwissend, dass solche Spiele wahrscheinlich genauso auf die Lebenserwartung gehen wie Alkohol- oder Drogensucht.“
Fünf Tore, vier Pfostentreffer – nur schade, dass das auch viele Dauerkartenbesitzer versäumt haben. Geschätzt jeder Vierte hatte sein gekauftes Ticket verfallen lassen, Ultras und ungeimpfte Fans wegen der veränderten Pandemie-Bestimmungen (2G, Maskenpflicht), andere wiederum aus Sorge vor einer Corona-Infektion. Schon beim Nachholspiel gegen Mannheim in acht Tagen ist nur noch ein Viertel der maximalen Auslastung erlaubt. Vorher jedoch steht das Auswärtsspiel in Hannover gegen Schlusslicht Havelse an (Samstag, 14 Uhr).
Die Chance zum Abheben ist da – sieht wahrscheinlich auch Sportchef Günther Gorenzel so, der nach dem Schlusspfiff sein Smartphone zückte und vermutlich die Tabelle studierte. Die drei Punkte gegen Duisburg – sie waren nur auf den ersten Blick drei Punkte gegen den Abstieg. Köllner sagte: „Ich traue der Mannschaft jederzeit zu, fünf, zehn oder 15 Spiele unbesiegt zu bleiben.“