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Vielfalt Normandie - Man spricht deutsch

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Vielfalt der Normandie: Die wilde Atlantikküste gehört dazu. © Schaller

Es ist schon ein Kreuz mit den Franzosen: Ihre Heimat ist so schön, dass sogar Gott dort wohnen soll. Doch gelten die Gallier als große Fremdsprachenmuffel, die ausländischen Touristen partout nicht mit Englisch entgegenkommen wollen.

Geschweige denn mit Deutsch. Doch un moment: In der Normandie gibt es inzwischen eine ganze Reihe deutschsprachiger Anlaufpunkte. Unser Reporter Markus Schaller hat ausprobiert, ob man die Region tatsächlich ohne große Französischkenntnisse bereisen kann.

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Restauriert: Ulrike Chanu hat ein Fachwerkhaus zur Bed & Breakfast-Unterkunft umgebaut. © Schaller

Da geht’s schon los: Irgendetwas mit „suprême d’oie“ steht auf der Speisekarte und die Kellnerin kann mir nicht erklären, was das ist. Aber sie lächelt freundlich. Es ist auch kein Foto vorhanden oder eine englischsprachige Karte. Ach, hätte ich doch in der Schule im Französischunterricht besser aufgepasst – oder sie im Englischunterricht. Man kann ja nicht verlangen, dass die Gastronomen in allen möglichen Urlaubsländern so gut Deutsch können wie die Italiener oder Spanier. Aber Allerweltsenglisch könnte es schon sein. Die Franzosen sind da anders: Wollen sie ans Meer, fahren sie an die Côte d’Azur. Wollen sie in die Berge, fahren sie in die Alpen. Wollen sie in eine Weltmetropole, fahren sie nach Paris. Da wird überall Französisch gesprochen. Wozu ins Ausland? Wozu Sprachen lernen?

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Hochprozentig: Anne Delauney führt durch das kleine Calvados-Museum in Cormeilles. © Schaller

Ich fühle mich in diesem kleinen Restaurant irgendwo an der Seine ein bisschen verloren – anders als bei der Zimmerwirtin Isabelle Groult, die nahe Alençon ein kleines chambre d’Hôtes, ein Frühstückshotel, betreibt. Denn die hatte mich vor drei Tagen gleich auf deutsch mit einem herzlichen „Willkommen“ begrüßt. Und gleich nach meiner Ankunft am frühen Abend wurde aufgetischt, was die Normandie zu bieten hat, denn auf Wunsch bekocht Isabelle ihre Gäste am Abend: eine Gemüseterrine mit regionalem Ziegenkäse und Salat, geschmortes Hühnchen mit Cidre- Soße, in Butter geschwenkte Kartoffeln, gedünstetes Apfelgemüse, Camembert und zum Abschluss ein wunderbarer Pflaumenkuchen.

"C" wie Camembert, Cidre und Calvados

Sprachprobleme: null. Denn Isabelle hat mal in Düsseldorf gelebt und dort Deutsch gelernt. Mein Wohnzimmer ist dein Wohnzimmer, ist jetzt ihr Motto – doch man kann ja nicht jeden Abend dort essen. Außerdem ist die Normandie zu groß, um nur an einem Ort abzusteigen. Le Havre zum Beispiel und die wilde Atlantikküste mit ihren typischen Kreidefelsen sind fast zwei Stunden entfernt.

Le Havre – schon beim Gedanken an diesen Ort werden die möglichen Sprachprobleme allerdings ganz klein. Schließlich wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg zu 90 Prozent zerstört. Das ganze kulturelle Erbe von Frankreichs zweitgrößter Hafenstadt einfach plattgemacht. Als Deutscher fragt man sich zwangsläufig: Wie übel nimmt es einem die Bevölkerung noch? Bin ich als Deutscher da willkommen? – Und zu meiner Überraschung erkenne ich: Ja, ich bin es!

„Versailles für Pferde“

Bénédicte Lemaire vom örtlichen Touristenbüro spaziert mit mir durch die Straßen und zeigt mir die Stadt, die nach dem Krieg vom Reißbrett mit viel Beton neu aufgebaut wurde: die Kirche St. Joseph, die Markthalle, das prächtige Rathaus. Und nicht zu vergessen: tausende für damalige Verhältnisse modern eingerichtete Standard- Wohnungen. Heute ist diese Stadt sogar Weltkulturerbe – denn sie ist aus einem Guss.

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Angstfrei: Fremdenführerin Renate Dreher hat im Nationalgestüt ihre Scheu vor Pferden verloren. © Schaller

Bénédictes Deutsch ist hervorragend. Stolz erwähnt sie, dass die Avenue Foch, die Boulevardstraße im Zentrum, drei Meter breiter ist als die Champs Elysées in Paris. Und sie spricht von der Zerstörung, als sei sie lange, lange passé. Es wird auf meiner Reise durch die Normandie nicht das einzige Mal sein, dass ich eine große Herzlichkeit gegenüber mir als Deutschen fühle. Die Franzosen haben uns verziehen, die deutschfranzösische Freundschaft ist ein Erfolgsprojekt. Ich fühle mich wohl in der Normandie. Auch die Kölnerin Renate Dreher fühlt sich hier wohl – und zwar so sehr, dass sie nun mit ihrem Mann in einem kleinen Dorf nahe Argenton lebt. „Renate und Bernd wohnen jetzt hier, und wir sind sehr froh, sie hier zu haben“, hatte der Bürgermeister in einer Rede zum Kriegsende gesagt. Ein bisschen pathetisch, aber sehr versöhnlich begehen die Franzosen ihre Feiertage.  Aus ihrer Liebe zu Frankreich wurde auch eine Liebe zu Pferden – zumindest legt sich langsam ihre Angst vor den Tieren, räumt Renate ein. Denn eigentlich bin ich wegen des Nationalgestüts Haras du Pin hier, und die zugewanderte Fremdenführerin zeigt mir die prächtige Anlage aus dem 18. Jahrhundert, die auch das „Versailles für Pferde“ genannt wird.

Die Region Calvados gibt dem weltberühmten Apfelschnaps ihren Namen

 Die Idee des französischen Hofs: ein Gestüt in der Nähe von Versailles zu schaffen, um robuste Pferde für die Feldzüge zu züchten. Wegen des schieferhaltigen Bodens mit dem saftigen Grasland wurden in der Normandie schon immer Pferde gezüchtet. Die kräftige Rasse Percheron taugte in Friedenszeiten als Ackergaul und bis zuletzt als Forstpferd. Heute dient das Gestüt der Erhaltung von zehn verschiedenen Rassen. 300 Veranstaltungen – vom Pferderennen bis zur Pferdeauktion – ziehen die Besucher das ganze Jahr über an.

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Das Nationalgestüt Haras du Pin © Schaller

Ich bestaune die prächtigen Hengste in den Ställen und bei der Auktion – und bekomme langsam Durst. Das dritte Normandie- C nach Camembert und dem Apfelwein Cidre lockt: der Calvados. Die Autobahn bringt mich schnell nach Cormeilles zur Destillerie Busnel. Schon auf dem Parkplatz habe ich ein eindrucksvolles Erlebnis: Ein Franzose erkennt in mir trotz des französischen Kennzeichens den Deutschen und heißt mich einmal mehr willkommen. Es ist Albert Rigot, der die Destillerie mit Äpfeln beliefert und in Köln einen Fleischhandel betreibt. Er preist die landwirtschaftlichen Vorzüge der Normandie, in der es keine Massentierhaltung gibt.

„Eigentlich aus Faulheit, aber jetzt sind wir dadurch Wegweiser“, grinst er. Ein kleines Museum, ein deutschsprachiger Film und eine deutschsprachige Besichtigung der Brennerei verdeutlichen mir danach, was der Mensch aus dem Naturprodukt Apfel zaubern kann: Die Region Calvados, eine von fünf Departments der Normandie, gibt dem weltberühmten Apfelschnaps ihren Namen. Lecker! Anne Delauney, die zwei Jahre nahe Düsseldorf gelebt hatte, führt mich ins Lager der Eichenfässer. Alkohol liegt in der Luft. „Es ist der ,part des anges‘, der Anteil für die Engel“, grinst sie, und sie preist die Fertigkeit des Kellermeisters, in diesen Fässern den Geschmack reifen zu lassen. „Aus zehn Kilo Äpfeln machen wir sieben Liter Apfelsaft und daraus einen Liter Calvados.“

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Satt: David Goerne kocht für seine Gäste ein Menü mit bis zu zehn Gängen und erzählt dazu Anekdoten. © Schaller

Viel probieren ist nicht, denn ich muss fahren. Aber ich decke mich mit einem kleinen Vorrat für zu Hause ein. Bis zum Abend bringt mich mein Navigationsgerät sicher in die nächste Unterkunft nach La Cerlangue. Es ist wieder ein chambre d’Hôte – und es wird von einer deutschen Auswanderin betrieben: Ulrike Chanu. Die studierte Lehrerin stammt aus einem Dorf bei Stuttgart und ist der Liebe wegen in die Normandie gezogen. Ihr Mann Damien arbeitet im nahen Le Havre. Gemeinsam bauten sie ein Fachwerkhaus so aus, dass zwei Familien hier preiswert Unterkunft finden.

Das Besondere: Ulrike bietet ihren Gästen auch einen Sprachkurs an. „Viele trauen sich nicht so recht, nach Frankreich zu fahren, weil sie ihr Schulfranzösisch vergessen haben“, erklärt sie. „Doch mit dem Sprachkurs ist das ganz schnell wieder aufgefrischt.“ In der Tat: Nach nur einer Stunde Unterricht in einem kleinen Nebengebäude, in dem die Gäste frühstücken oder sich auch selbst etwas kochen können, bin ich wieder fit in Sachen Wetter: „La Normandie est belle par tous les temps.“ – „Die Normandie ist bei jedem Wetter schön.“

Für die Speisekarte in dem kleinen Restaurant irgendwo an der Seine wären weitere Unterrichtsstunden hilfreich gewesen. Leider reichte die Zeit nicht. Doch nun kommt das zum Einsatz, das für den Notfall gedacht war: das Wörterbuch. „Suprême d’oie“ – ah, Gänsebrust ist das. Klingt lecker, nehme ich. Und während ich es mir einmal mehr schmecken lasse, sinniere ich: Dieses Netz deutschsprachiger Anlaufstationen in der Normandie ist schon genial.

Markus Schaller

DIE REISE-INFOS ZUR NORMANDIE

REISEZIEL Das als Normandie bezeichnete Gebiet im Nordwesten Frankreichs umfasst die politischen Regionen Haute-Normandie und Basse- Normandie. Im Jahr 911 wurde es als Herzogtum gegründet. Heute leben hier rund 3,5 Millionen Menschen.

ANREISE Um vor Ort mobil zu sein, empfiehlt sich entweder eine Anreise mit dem eigenen Auto oder die Buchung eines Mietwagens ab dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle (Flüge ab München mehrmals täglich). Die Normandie ist zwei Stunden von Paris entfernt.

REISEZEIT Die Normandie ist, ähnlich wie die Nordsee, zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter attraktiv. Das Klima ist mild und wechselhaft, von Juni bis September ist an der Küste Badezeit. Ideal zur Erkundung der Landschaft ist eine Reise im Frühjahr und Frühsommer oder Herbst. Hochsaison ist im Juli und August.

UNTERKUNFT - Landhaus-Frühstückshotel La Louvière in Saint-Denis sur Sarthon, Doppelzimmer ab 95 Euro, Isabelle Groult (spricht Deutsch), Tel. 0033/233/29 25 61, www.louviere.fr.

Renoviertes Fachwerkhaus- Frühstückshotel Le Manoir du Four à Chaux in La Cerlangue, Doppelzimmer ab 49 Euro, Ulrike Chanu (Deutsche), Tel. 0033/235/48 61 47, www.bnbnormandie. net.

Landhaus-Frühstückshotel Le Manoir de Rétival in Caudebecen- Caux, Doppelzimmer ab 140 Euro, David Goerne (Deutscher), Tel. 0033/650/23 43 63, www. restaurant-ga.fr

AUSFLUGTIPPS - Nationalgestüt Haras du Pin in Le Pin au Haras, www.harasnational- du-pin.com.

Calvados-Brennerei Busnel in Cormeilles, Route de Lisieux, Tel. 0033/232/57 80 08 oder 57 38 80. - Stadtführung Le Havre, Tourismusbüro, Boulevard Clemeceau 186, Tel. 0033/232/74 04 04, www.lehavre-tourismus.de -

Ziegenhof Le Valaine (Käse-, Schokoladen- und Eisherstellung) in Etretat, Route du Havre, Bernard Dherbécourt, Tel. 0033/235/27 14 02, www.levalaine. com.

ESSEN Der Hamburger Koch David Goerne bereitet seinen Gästen im Manoir de Rétival in Caudebec-en-Caux auf Wunsch ein bis zu zehngängiges Menü zu.
Das Besondere: Die Gäste können ihm dabei zuschauen, denn gekocht und gegessen wird in seiner Küche; zu jedem Gang gibt es Anekdoten. Preis: 98 Euro für ein abgespecktes und 149 Euro pro Person für das große Menü. Tel. 0033/650/23 43 63, www.restaurant- ga.fr.

REISETYP Eine Reise in die Normandie ist in erster Linie eine Genuss- und Erkundungsreise für Urlauber jeden Alters. Wer die beschriebenen deutschsprachigen Ziele ansteuert und Straßenkarten lesen kann oder ein zuverlässiges Navigationssystem im Auto hat, braucht keine Fremdsprachenkenntnisse.

INFOS Französische Zentrale für Tourismus Atout France, Postfach 100128, 60001 Frankfurt, Internet: www.franceguide. com.

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