Urlaub für die Seele

Die Atom-Katastrophe von Fukushima im März hat den Tourismus in Südostasien vorübergehend zum Erliegen gebracht. Inzwischen ist aber wieder Normalität eingekehrt, sogar nach Japan sind bald wieder die ersten Reisegruppen unterwegs.
Auch Südkorea – rund 1000 Kilometer von Japan entfernt – begrüßt wieder Besucher mit offenen Händen und Herzen, und die Einheimischen lassen die Touristen gerne an ihrem alltäglichen Leben teilhaben. Unsere Autorin Nina Bautz hat sich auf eine Tempel-Erfahrung eingelassen.

Es ist noch dunkel. Langsam zieht die Gruppe aus Touristen und Mönchen auf dem Hügel des Golgulsa- Tempels im Südösten Südkoreas ihre Kreise um die Statue. Dazu der monotone Klang der Trommel, buddhistischen Gesänge. Als der Wind plötzlich über den Berg zieht und die Bäume rauschen, ist es mit meiner Konzentration dahin. Ein Gedanke schießt mir durch den Kopf: „Von oben sehen wir bestimmt aus wie in einem Gruselfilm …“ Verdammt. Die Suche nach der inneren Ruhe. Wenn nicht hier, wo soll sie dann Erfolg haben?!
Der 1400 Jahre alte Golgulsa- Tempel liegt auf einem Felsen, 20 Kilometer entfernt von Gyeongju. Seit 1993 empfangen die fünf Mönche und sieben Junior-Mönche Gäste. Templestay nennt man das, mittlerweile bieten über 20 Tempel in Südkorea Aufenthalte zum Entspannen an. DieMönchehierimGolgulsa- Tempel lassen die Touristen nicht nur an der Meditation teilhaben, sondern auch am zeremoniellen buddhistischen Mahl Barugongyang sowieamSunmudo-Training, hier ist das nationale Zentrum für diesen Kampfsport. DerZeitplan ist straff, um vier Uhr morgens weckt ein Mönch die Gäste mit seiner Trommel, um 22 Uhr ist Bettruhe, es herrscht Nikotin- und Alkoholverbot.
Die Meditation im Sitzen fällt uns Touristen noch schwerer als die im Gehen. Meine Füße zwicken vom Buddha-Sitz, der Rücken schmerzt. Die amerikanischen Mädels neben mir kichern, ein Mann weiter vorne keucht. Ständig raschelt irgendeine Hose der weiten Leinen-Kleidung, die jeder hier am Eingang überreicht bekommt. Meine Gedanken schweifen ab.

Vor meinem inneren Auge rasen die Bilder der letzten Tage vorbei. Von der Hauptstadt Seoul, die weit ruhiger ist, als ich erwartet hätte. Von den unglaublich saftig-grünen Hügeln im und rund um den Seoraksan-Nationalpark, die zum Wandern einladen. Und natürlich der Aufenthalt im Hanok Suaedang in der Provinz Andong, einem traditionellen Haus: Wie uns die Hausbesitzer Ryu Hyo-Jou und seine Frau Moon Jung Hyun zu einer Tee- Zeremonie eingeladen haben – dieser leckere Chrysanthemen- Tee. Wie nett die Wirte waren und was sie uns alles über die Kultur erzählt haben. Dann das Schlafen auf dem nackten Holzboden. Nur eine dünne Decke dazwischen. Wie warm das war, wirklich gemütlich. Der Stein unter dem Haus, der abends von Hand befeuert wird, hält die ganze Nacht warm. Da wäre ich jetzt gerne …
Die große Trommel vorne am Buddha-Altar reißt mich aus meinen Halbschlaf-Träumen. Zeit für das Morning Chanting, die Morgenandacht mit Gesang. Es ist erst 5 Uhr in der Früh, aber nun wache ich wirklich auf. Auf und nieder, immer wieder. Zum Gesang der Mönche machen wir Kniefälle – hunderte, wie mir scheint. Die ersten Schweißtropfen fließen. Von innerer Ruhe ist danach erst recht keine Spur.

Die große Frage: Wann kommt sie, die Ruhe? Ich stelle sie Sven Ringheim (28), der jetzt Moo Choung heißt. Der Norweger war 2002 mit seiner Schulklasse hier zu Besuch, vor sechs Jahren nach dem Militärdienst dann wurde der Tempel seine Heimat. „Wann hast du zum ersten Mal eine Veränderung in dir gespürt?“ Sven lacht, diese Frage stellen ihm gestresste Europäer häufig. „Der Körper braucht Monate, bis ihm nichts mehr wehtut, erst dann kann er wirklich entspannen“, erklärt er. Anfangs habe er blaue Flecken am Rücken und an den Knien gehabt. Sven hat die Mönchs-Ausbildung absolviert, er war in den vergangenen sechs Jahren nur vier Mal draußen. „Mir fehlt nichts. Mir hat im alten Leben etwas gefehlt. Wer du bist und was du brauchst – das lernst du hier schnell. Schneller, als das richtige Meditieren.“
Zugegeben: Diese völlig fremde Welt im Tempel bringt schon am zweiten Tag Abstand zu den Alltagssorgen. Alleine das Frühstück: Das gesamte Mahl unterliegt einem strengen Ritual. Jede der vier Schüsseln steht an seinem festen Platz. Wann welche ausgewaschen wird, ist festgelegt. Während Reis, Bohnen, die Sojabohnen- Suppe und das traditionelle Kimchi, der scharf angemachte Rettich, in Anwesenheit der Mönchegegessenwerden, istesmucksmäuschenstill. Kein Reiskorn darf übrig bleiben, das ist Verschwendung.
Théo Beile (26) aus Straßburg, der hier seit vier Monaten den Kampfsport Sunmudo trainiert und den Touristen die Tempelwelt näher bringt, erklärt: „Es geht darum, sich der Bedeutung des Essens wieder bewusst zu werden, zu spüren, was der Körper braucht und was man isst.“
Tatsächlich: So intensiv habe ich den Geschmack des Reises nie zuvor wahrgenommen. Trotzdem wünsche ich mir das typische koreanische Mahl, das mit Dutzenden kleiner Schüsseln ein Erlebnis ist – und vor allem mehr Auswahl bietet. Aufgepasst: Der Fisch ist oft ziemlich trocken, weil er in Salz eingelegt wird. Und immer vorher am Gericht riechen – die Koreaner lieben Knoblauch! Der Dongnae Pajeon, ein Pfannkuchen mit Lauchzwiebeln und Meeresfrüchten, zum Beispiel schmeckt fast europäisch, weil er nicht so exotisch gewürzt ist. Das bekannte Bibimbap, ein Topf mit Reis, Gemüse, Kräutern und Fleisch, macht satt und erinnert mich ein wenig an das indonesische Nasi Goreng .
Nachmittags, wenn die Mönche beten, haben die Touristen Freizeit. Ich bin innerlich sehr ruhig, was wohl eher an der Müdigkeit liegt. Trotzdem nehme ich das Rauschen der Bäume und das Zirpen der Grillen deutlicher wahr als noch bei meiner Ankunft. Als abends der Reisebus anrollt, stört mich das Motorengeräusch. Auf der Straße hupt ein Mopedfahrer. Am liebsten würde ich zurück in den Tempel gehen. Ruhe!, denke ich mir, Ruhe!
REISE-INFOS ZU SÜDKOREA
REISEZIEL Die in Ostasien gelegene Republik Südkorea nimmt seit der im kalten Krieg 1948 vollzogenen Trennung den südlichen Teil der koreanischen Halbinsel ein. In der Präsidialrepublik leben rund 50 Millionen Menschen, Hauptstadt ist Seoul. über 70 Prozent der Fläche ist gebirgig.
ANREISE Korean Air fliegt täglich von Frankfurt nach Seoul (11 Stunden), die Flugtickets kosten circa 930 Euro. Im Reisebüro oder online unter www.koreanair.com.
REISEZEIT/KLIMA Südkorea liegt in der gemäßigten Klimazone und hat vier Jahreszeiten. Die beste Reisezeit ist von September bis November oder im Frühjahr (Kirschblüte im April). Der Sommer ist wegen der hohen Temperaturen und des Monsuns weniger geeignet.
REISETYP Ein Fernreiseziel für Asien-Liebhaber. Sehr gut geeignet für Naturliebhaber, insbesondere Wanderer, sowie für Reisende, die sich für Kultur und den Buddhismus interessieren.
SEHENSWERT Die Hafenstadt Busan im Süden (insbesondere der Fischmarkt), der Seoroksan Nationalpark mit dem Schneegipfelgebirge, das Geosang-Observatorium für Wiedervereinigung an der Grenze zu Nordkorea sowie der Gyeongbok- Palast in Seoul.
ANGEBOTE Der Reiseveranstalter Dertour bietet die elftägige Flugpauschalreise „Südkorea – Im Land der Morgenstille“ an, die mit Ü/F ab 1.944 Euro pro Person kostet. Stationen der Rundreise sind u.a. Seoul, Andong, Busan, der Seoraksan- Nationalpark und die Insel Jeju. Die Reise „Höhepunkte Südkoreas“, eine viertägige Rundreise ab/bis Seoul mit drei Übernachtungen in Hotels der gehobenen Mittelklasse und First- Class inklusive Frühstück und Mittagessen/Transfers/ Stadtrundfahrt Busan/Gyeongju, Seoraksan- Nationalpark, ist buchbar ab 579 Euro pro Person.
Ein Aufenthalt im Golgulsa-Tempel kostet für zwei Tage (eine Übernachtung) rund 30 Euro, ein Monat knapp 600 Euro (www.golgulsa.com). Tempelaufenthalte sowie Übernachtungen in den traditionellen Hanok-Häusern können auf Anfrage bei Dertour als Baustein gebucht werden. Buchung im Reisebüro mit Dertour-Programm oder unter www.dertour.de.
WEITERE INFOS Koreanische Zentrale für Tourismus KTO in Frankfurt, Tel. 069/23 32 26; online: http://german.visitkorea.or.kr.