Graffiti, Puppenspiele und ein historischer Romanheld

Stadtgeschichte mal anders

Die Theatergruppe „Sendlinger Mordweihnacht“ will die Geschichte am Leben erhalten.
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Die Theatergruppe „Sendlinger Mordweihnacht“ will die Geschichte am Leben erhalten.

München – Von wegen verstaubt: Sprayer, Schauspieler und Autoren lassen die Münchner Stadtgeschichte wieder lebendig werden – Hallo stellt die schönsten Beispiele vor

Wenn Holzfiguren bluten...

Einen blutigen Teil der Sendlinger Geschichte wollen Gerhard Weiß, Hartmut Gentsch, Marta Reichenberger und ihre Mitstreiter durch ein Theaterstück am Leben erhalten: die Sendlinger Mordweihnacht. Allerdings zeigen keine Schauspieler aus Fleisch und Blut, wie die Truppen des österreichischen Kaisers am 24. Dezember 1705 bayerische Aufständische niedermetzelten. Vielmehr lässt die Gruppe Figuren aus Holz mithilfe von Seilen und Stangen auf Schienen hin und her fahren.

Anlässlich des 300. Jahrestags der Sendlinger Mordweihnacht 2005 schrieb Weiß ein Stück über die Geschehnisse und wollte es vor Ort aufführen. Dafür bot sich die Musikbühne „Ars Musica“ im Stemmerhof in Sendling an, denn dort war 1705 das Hauptquartier der Aufständischen.

Mehr als zehn Jahre später kam die Idee auf, das Stück regelmäßig zu spielen. „Ideal wäre es, das Figurenstück zu einer Sendlinger Traditionsveranstaltung zu machen“, sagt Hartmut Gentsch, der bei der Aufführung der Erzähler ist. Denn die Geschehnisse seien auch heute noch wichtig für den Stadtteil. „Sie sind heute unter anderem durch viele Straßennamen noch sehr präsent in Sendling“, sagt Reichenberger.

Das Figurentheater sei eine andere Art der Wissensvermittlung. „Man befasst sich ganz anders mit dem historischen Stoff, als wenn man es liest“, so Reichenberger. Ziel sei es, die Zuschauer zu unterhalten. „Es soll nicht belehrend sein. Ich will, dass man die Situation damals versteht“, sagt Autor Weiß. Deshalb sei auch nicht alles historisch streng belegt. Vielmehr hat Weiß auch eine Liebesgeschichte eingeflochten.

Andreas Schwarzbauer

Chronik im Tunnel

Das Foto zeigt Martin Blumöhr 2017 in der Landshuter Allee-Unterführung Dom-Pedro-Straße in Neuhausen.

In einigen Bahn- und Straßenunterführungen vor allem im Münchner Westen wandeln die Münchner bereits durch die Geschichte des jeweiligen Stadtbezirks, ins Bild gesetzt durch den Künstler Martin Blum­öhr. 2014 startete er mit dem „Tunnelblick“ in Pasing sein erstes „Public-Viewing-Projekt“.
Informationen über die Viertel und ihre Historie holt er sich in Gesprächen mit Passanten, Vereinen und bei Workshops mit Schülergruppen. ul

Giesinger Graffito

Ein blauer, skelettartiger Löwe kämpft gegen einen blaubärtigen Superman – dieses Graffito tut sich allen auf, die den Giesinger Berg Richtung Grünwalder Stadion hochfahren. Das Bild auf dem SWM-Gebäude in der Zehentbauerstraße ist noch nicht fertig: Bis zum Frühjahr will Streetart-Künstler Won ABC die Fassade gen Martin-Luther-Straße gestalten und zwar zum Thema „100 Jahre Räterepublik, Kurt Eisner und 100 Jahre Freistaat“. Der Todestag des Revolutionärs jährt sich am 21. Februar zum 100. Mal. Und der Superman? Eine Hommage an Won ABCs Kunstprofessor Robin Page, der 2015 gestorben ist. hki

Kinder Geschichte(n)

Die Geschichten, die der kleine Ubo erlebt, hat sich Autor Werner Dilg zwar ausgedacht, aber sie haben einen historischen Hintergrund.

Seit 2011 macht der kleine Lausbub Ubo in den Büchern von Werner Dilg Aubing unsicher. Die Geschichten, die er erlebt, hat sich Dilg zwar ausgedacht, aber sie haben einen historischen Hintergrund. Und die Orte, an denen er seine Abenteuer erlebt, gibt oder gab es wirklich. Denn Dilg hat zwei Kinderbücher über die Geschichte Aubings geschrieben.

Die Idee entstand bei den Vorbereitungen für die 1000-Jahr-Feier in Aubing. „Ich wollte eine Festschrift für Kinder machen“, sagt Dilg. Und so erschuf er Ubo, einen zehnjährigen Buben, der in „Ubo hat Glück in Aubing“ durch die Historie Aubings wandert. Der Name der Hauptfigur leitet sich von einem bajuwarischen Stammesführer ab, der der Legende nach das Dorf Aubing gründete.

Ubo erlebt, wie König Heinrich das Dorf dem Kloster Ettal schenkte oder wie Aubing unter Pest litt. In seinem zweiten Buch „Ubo bleibt in Aubing“ stehen die Häuser und ihre Historie im Vordergrund. Dilg beschreibt unter anderem wie ein typisches Bauernhaus früher aussah.

Der Aubinger interessierte sich schon immer für die Vergangenheit seiner Heimat, gestaltete bereits einen Geschichtspfad mit und beteiligte sich an einem historischen Modell von Aubing. Dennoch sei die Entstehung der Bücher viel Arbeit gewesen: „Man kann sich nicht einfach hinsetzen und losschreiben, sondern muss sich wegen des realen Hintergrunds viele Gedanken machen.“

Auf das Ergebnis ist er stolz, zumal die Aubinger Grundschule seine Bücher im Heimatkundeunterricht verwendet. Vielleicht gibt es auch bald eine Fortsetzung. „Ich hätte noch ein paar Ideen“, sagt er.

Andreas Schwarzbauer

Schwabings Lebensgefühl in der Lobby

Die Wandbemalung im Hotel Schwabinger Wahrheit bildet die Geschichte des Viertels ab.

Ein besonders kreativer Eingangsbereich ziert das neue Hotel Schwabinger Wahrheit in der Hohenzollernstraße: Das Münchner Team für Gestaltung „Graphism“ hat in der Lobby eine Wand bemalt. Thema ist die Geschichte Schwabings. 

Von links beginnt die Zeichnung mit der Gründung des Dorfs Suuapinga 782, dem späteren Schwabing. Chronologisch wird dann entlang der Wand weitererzählt von der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts, als Schwabing zur Bohème-Hochburg avancierte, von der Künstlerschaft rund um den Blauen Reiter, von der Räterevolution 1918, der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und der Widerstandsgruppe Weiße Rose. 

Man sieht Uschi Obermaier und Rainer Langhans zusammen einen Joint qualmen und Studenten rebellieren. Das Maskottchen Waldi (siehe Foto) verweist auf die Olympischen Spiele in München 1972 und der Schriftzug Blow Up auf die legendäre Großraumdisco am Elisabethplatz. Daneben lächelt den Betrachter Giorgio Moroder an, der in seinem Münchner Studio Disko-Hits wie „I Feel Love“ für Donna Summer produzierte. Hummer und Sektflasche symbolisieren das ausschweifende Leben der Schwabinger Schickeria. Daneben ein bekanntes Mitglied dieser Szene: Playboy Gunter Sachs. 

„Schwabing ist mehr als ein Stadtviertel – Schwabing ist ein Lebensgefühl, hier schlägt das kulturelle Herz Münchens“, sagt Hotelmanager Christoph Grödl. „Mit unserem Graffito, das sich über die gesamte Längsseite des Raumes zieht, zeigen wir diese Vielfalt auf.“ 

Laura Felbinger

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