Sehenswerte Ausstellung zum Jubiläum

Die evangelische St. Paulus-Kirche in Perlach ist Münchens ältester protestantischer Kirchenbau. Was damals zur Gemeindegründung und zum Kirchenbau führte, zeigt St. Paulus gemeinsam mit dem Festring Perlach ab Samstag in der sehenswerten Ausstellung „200 Jahre Protestanten in Perlach“.
„Kommt nach München und betreibt im Osten der Stadt Weinbau!“ Der Aufruf, der 1816 wohl in dieser Art in die Pfalz ging, spricht von ziemlicher Ahnungslosigkeit und die, die ihm folgten, waren wohl recht blauäugig. Doch Europa erlebte damals dramatische Hungerjahre und immerhin stammte die Aufforderung vom Bayerischen Königshaus. So standen denn tatsächlich 1816 plötzlich Wirtschaftsflüchtlinge aus der Pfalz vor der Münchner Tür und begehrten Land und Teilhabe. Nicht nur der Aufbau der Erwerbsmöglichkeiten war schwierig; die neuen Anwohner – Protestanten — kämpften auch beharrlich um eine angemessene Grundlage zur Ausübung ihrer Religion im katholischen Bayern.
Welche Hürden sie damals überwinden mussten, welche Rolle dabei Friederike Wilhelmine Karoline von Baden, zweite Frau von König Maximilian I. von Bayern und erste Königin Bayerns mit evangelischem Glauben, spielt und warum St. Paulus die Mutter der evangelischen Gemeinden zwischen Berg am Laim bis Ottobrunn ist – dies alles kann man in der Ausstellung „200 Jahre Protestanten in Perlach“ nachvollziehen. Die St. Paulus-Gemeinde hat in Kooperation mit dem Heimatverein „Fest-ring Perlach“ die Geschichte der Perlacher und damit auch Münchner Protestanten, ihren denkmalgeschützten Kirchen- und Pfarrhaus-Bauwerken und vielem mehr zu einer bemerkenswerten Schau aufbereitet. In vielen Archiven und Schränken hat man interessante Pläne, Bilder und Details gefunden und die Informationen in äußerst ansprechende Schautafeln umgesetzt.
Zu längeren Texten sind zusätzlich QR-Codes abgebildet. Bei Aktivierung durch eine entsprechende App auf dem Smartphone wird man von der Lese-Arbeit befreit, kann sich die Fassungen auch anhören, erläutern Michael Kammerloher vom Kirchenvorstand und der stellvertretende Festring-Vorsitzende Uli Walter. Den Besuchern wird daher dringend empfohlen, ihr QR-Code-fähiges Handy sowie einen Kopfhörer mitzubringen. Die Ausstellung ist unbedingt einen Besuch wert, auch wegen ihrer durchaus spannenden Inhalte. Denn dem Bau der Kirche in Perlach ging ein echtes Politikum voraus: Der protestanten-feindliche Innenminister Karl von Abel versuchte alles, um den Kirchenbau damals zu verhindern, untersagte nicht nur entsprechende Geldsammlungen, sondern auch die sonntäglichen Gottesdienste in Perlach. In ganz Deutschland wird daraufhin über die fatale Situation der Protestanten in der kleinen bayerischen Gemeinde berichtet. Plötzlich befasst sich König Ludwig I. mit der Sache, genehmigt sogar eine reichsweite Sammlung. Die Gelder kommen bis aus Lübeck und Frankfurt. Doch die Gemeinde kann den Preis von 1000 Gulden für den neuen Bauplatz nicht aufbringen. Am Ende ermöglicht dann „seine Majestät, der König von Preußen, allerhuldvollst“ den Kauf. „Unglaublich, dass so ein kleines Kircherl so viel Aufmerksamkeit bei den hohen Herrschaften verursacht hat“, wundert sich noch immer Markus Blume. Der Perlacher Landtagsabgeordnete ist Gemeindemitglied und hat genau wie Pfarrerin Susanne Trimborn an der Jubiläumsschau und dem dazu ergänzenden Themenheft (Preis: 4 Euro) mitgewirkt.
Der berühmte Münchner Architekt und Zivilbauinspektor Georg Friedrich Ziebland, selbst bekennender Protestant, errichtet schließlich persönlich die neue Kirche, die heute noch immer an der Sebastian-Bauer-Straße 21 steht. Im Gemeindepavillon gleich daneben ist die Geschichtsausstellung vom 3. bis 11. September, jeweils von 15 bis 18 Uhr zu sehen. Weitere Infos auch unter www.perlach-evangelisch.de.
Carmen Ick-Dietl
Jubiläumsfeste
Zu ihrem Jubiläum feiert die St. Paulus-Gemeinde am Samstag, 10. September, zusammen mit der Forschungsbrauerei von 16 bis 22 Uhr ein großes Straßenfest. Am Sonntag, 11. September, findet um 9.30 Uhr der Kirchweihgottesdienst mit der Festpredigt durch Dekan Mathis Steinbauer statt. Zwischen 11 und 18 Uhr gibt es anlässlich des „Tags des offenen Denkmals“ Führungen durch Kirche und Ausstellung.