Nach dem Büro ab auf die Loipe!

Die klirrende Kälte hat auch ihre angenehmen Seiten. Um langlaufen zu können, müssen Städter derzeit nicht den weiten Weg in die Alpen auf sich nehmen. Im Ostpark bietet der SC Hochvogel perfekte Langlauf-Bedingungen!
Es ist klirrend kalt im Münchner Ostpark an diesem Donnerstagnachmittag, der früh schon in Dämmerung und Abend übergeht. Auf den Hängen rodeln noch Kinder, während sich am Horizont eine Gruppe von anmutig durch den Schnee gleitenden Gestalten auf den vereinbarten Treffpunkt zubewegt. Schnelligkeit paart sich dabei mit Geschmeidigkeit in den Bewegungen, Kraft und Eleganz kommen zum Ausdruck, wenn die jetzt deutlich erkennbaren Langläufer des SC Hochvogel München auf ihren Brettern durch die gespurten Loipen Perlachs driften.
Rund 20, vorwiegend junge Schneegleiter haben wieder mal eine Runde im Schatten der Ostpark-Hügel bewältigt, atmen kurz durch und posieren zum Gruppenfoto. Dann sind die jungen Könner auf den schmalen Latten auch schon wieder unterwegs. Dreimal pro Woche trainieren die Kids und Jugendlichen des Traditionsvereins in Rufweite des eigenen Vereinsheims an der Heinrich-Wieland-Straße 88 in diesem seltsamen Mix aus großstädtischer Nähe und winterlicher Entrücktheit in den Tiefen des Parks.
Sven Gollon blickt seinen jungen Athleten derweil zufrieden hinterher. Der Trainer und Jugendwart des 1921 gegründeten, derzeit München-weit einzigen Langlaufvereins freut sich über die starke Trainingsbeteiligung trotz Kälte und vornächtlicher Dunkelheit. „Nachwuchsprobleme haben wir hier beim SC Hochvogel keine“, erklärt der langjährige Funktionär, der einst selbst bei deutschen Meisterschaften startete und heute bereits wieder diverse Trainingsrunden in den Beinen hat.
Während er so erzählt, schraubt er bei einem rotnasigen Jungen an der Bindung herum – unter Druck, denn der Kleine will sofort wieder los. Im Skating-Schritt, neben dem klassischen Parallelstil die üblichste Form der Bewegung auf zwei Langlaufbrettern, hechelt das junge Talent seinen Trainingskameraden gleich wieder hinterher. „Die Kinder sind mit Feuereifer dabei – was gibt es auch Schöneres, als auf zwei Skiern in gesunder Luft und schnell durch verschneite Landschaften zu tigern“, sinniert Gollon. Rund 160 Mitglieder im SC sehen das ganz offensichtlich ebenso. Nach und nach kommen auch die Älteren dazu. „Nach dem Büro auf die Loipe, das ist Aktiv-Freizeit pur“, weiß Gollon.
Doch bei so manchem der Läufer steht durchaus auch der leistungssportliche Aspekt im Vordergrund. Nicht nur bei nationalen Titelkämpfen sorgen und sorgten „Hochvögel“ für tolle Ergebnisse. In der Historie des Vereins finden sich auch Olympiastarter und Weltmeisterschafts-Teilnehmer vom Schlage einer Susi Riermaier, eines Stefan Dotzler oder Bernd Raupach. „Wir haben sogar schon wirklich Historisches geleistet“, erklärt Gollon: Bei der mittlerweile im Weltcup-Zyklus als echtes Highlight etablierten „Tour de Ski“ richtete der SC Hochvogel im Jahr 2006 im Münchner Olympiapark das allererste Rennen aus!
Der Verein versprüht aber nicht nur auf der Loipe Flair und Tradition. Im Holzhaus-Vereinsheim strahlen einem Skier aus längst vergangenen Zeiten entgegen, prangen Olympiatrikots von vor 50 Jahren an der Wand und empfängt einen weiter hinten im Wachsbereich der Duft liebevoll „zubereiteter“ Latten. „Habt Ihr Euer Pensum fertig“, fragt der Jugendwart die ersten eintrudelnden Kids, die teilweise in Auswahlkadern aktiv sind. „20 Runden, klar“, verkünden die Knirpse prompt. Im Stüberl gruppieren sich die Kleinen um den wärmenden Ofen. Die Pokale und Olympiashirts haben sie dabei fest im Blick. Wer so fleißig trainiert, der darf auch träumen. Harald Hettich