Die Lust und Last mit dem Aussehen

Schönheit liegt im Auge des Betrachters — diesem Motto folgt auch das vom Verein „Kultur und Spielraum“ ins Leben gerufene Ausstellungs- und Mitmachprojekt „Echt schön!“. Vergangene Woche war es am Werner-von-Siemes-Gymnasium in Neuperlach zu Gast.
Ganz schön hart, der Alltag eines Achtklässlers: Als ob es nicht reichen würde, früh aufzustehen, will auch das passende Tagesoutfit mit Bedacht gewählt sein. Stylisch und hip soll es sein. Aber die Auswahl ist zu groß, der Stress somit vorprogrammiert. Die Lust und Last der Schönheit! Darum geht es beim kulturpädagogischen Projekt „Echt schön!“ des Vereins „Kultur und Spielraum“, das vergangene Woche im Schulzentrum des Werner-von-Siemens-Gymnasiums an der Quiddestraße 4 in Neuperlach Station machte.
Anstelle kniffliger Matheaufgaben und verzwickter Deutsch- aufsätze standen Schönheitsprodukte, Diätartikel und Trendforschung auf dem Stundenplan der Siebt- und Achtklässler des Neuperlacher Gymnasiums. Rund ums Thema Gesundheit und Schönheit setzten sich die Schüler im Rahmen der Projektwoche mit Schönheitsidealen und Trends, gesunder Ernährung und Diätplänen sowie Schönheitsoperationen und diversen Beautyartikeln auseinander. Ist das nicht ein bisschen zu früh für den ganzen Schönheitswahn?
Nein, finden die Ausstellungsmacher! Denn Tatsache ist: Aussehen und Schönheit beschäftigen nicht nur Erwachsene. Kinder und Jugendliche machen sich schon früh über ihren Körper und ihr Erscheinungsbild Gedanken. Und deswegen müsse man mit ihnen darüber sprechen, erklären Albert Kapfhammer und Marion Schäfer, Sozial- und Kulturpädagogen des Vereins „Kultur- und Spielraum“, die das Projekt initiiert haben. „Als Thema beginnt das Aussehen in der siebten Klasse interessant zu werden. Spätestens mit Eintritt in die Pubertät“, erzählt Kapfhammer. Deswegen richte sich das Programm vor allem an Schüler der achten bis zehnten Jahrgangsstufe. Einen Raum dafür zu eröffnen, über die Last und Lust mit dem Aussehen offen sprechen zu können, das beabsichtige „Echt schön!“.
Doch Informationen allein reichen da nicht aus. Selbst aktiv werden, hieß es für die Schüler des Gymnasiums: Im Supermarkt der Schönheit schlüpften die Schüler in enge Korsetts, legten Bartbinden oder Lockenwickler an und versuchten sich einmal in hohen Stöckelschuhen. Schönheits- torturen zum Selbst-Ausprobieren also. Denn die aktive Auseinandersetzung fördere die Vertiefung der Inhalte. „So sind wir dann ganz nah dran an den Themen und an ihnen“, erläutert Projektleiterin Schäfer. Und gerade darin liege der Schlüssel: „Das Entscheidende ist das Vermittlungsprogramm, weil an den Texten würden die Schüler ja sonst nur vorbeilaufen“, erklärt Kapfhammer. Und damit liegt er scheinbar völlig richtig: „Das macht richtig Spaß, wenn man die Möglichkeit hat, zu interagieren und nicht nur ständig zuhören muss“, sagt ein Achtklässler.
Reflektieren zu können und das einmal nicht anhand von Büchern, das wollte auch die stellvertretende Schulleiterin Susanne Sütsch mit der Projektwoche für die Schüler möglich machen. Sie holte, zusammen mit dem Schulleiter, Dieter Zindler, die Ausstellung an die Schule. „Ich finde es schön zu sehen, wie die Schüler animiert werden. Sie sind so interessiert und viel aktiver als im normalen Schulalltag“, sagt Sütsch. Der Aufwand, der hinter der Organisation und Planung der Veranstaltung steckt, lässt sich dabei gut in Zahlen ausdrücken: 8000 Euro koste es, eine solche Projektwoche auf die Beine zu stellen.
Doch Sozial- und Kulturpädagoge Kapfhammer weiß auch um die Grenzen pädagogischer Impulse: „Wir sind nicht naiv, zu glauben, dass sich die Einstellungen der Kinder und Jugendlichen von Grund auf ändern werden, nur weil wir hier das Programm machen. Doch es ist trotzdem wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, einen Raum zu haben, wo wir ins Gespräch kommen mit den Jugendlichen, ich glaube darin liegt der Wert der Sache“, sagt Kapfhammer. Aufklären. Sensibilisieren. Einen Impuls geben — dafür setzt sich „Echt schön!“ ein. Tamara Tomasevic