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Der Fotograf der Madonnen

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Madonnen-Bildnisse aus eineinhalb Jahrzehnten – Clemens Kindler zeigt die „Madonna mit der falschen Hand“ aus der Hackenstraße – darunter ein schönes Exponat vom Asamhaus in der Sendlinger Straße – fündig wird dieser besondere Sammler offenbar fast überall. © Foto: Harald Hettich

Clemens Kindler hat ein ganz spezielles Hobby: der Berg am Laimer fotografiert und katalogisiert Madonnen-Skulpturen, -Reliefs, -Mosaike und Bildnisse in der gesamten Stadt München.

422 Motive hat der emsige Sammler in über eineinhalb Jahrzehnten zusammengetragen und in sechs dicken Alben verewigt. 

Auch bei der Künstlergilde Berg am Laim ist der Hobbyfotograf aktiv. Dort ist demnächst eine Werkschau seiner besonderen Marien-Sammlung geplant.

Anfänge

„1985 hat es mich so richtig gepackt“, erzählt Kindler bei der Rückschau auf die Anfänge seiner sammlerisch-fotografischen Leidenschaft. Damals wohnte der heute pensionierte Schneidermeister mit reichlich Berufserfahrung am Residenztheater noch in Schwabing. Ein Drei-Meter-Mosaikenrelief in der Jakob-Klar-Straße war für ihn das erste Motiv, das heute noch fest in seinem Gedächtnis verankert ist. Mit seinem Teleobjektiv hatte er sich herangezoomt und die feinporigen Reliefzeichnungen fotografisch exakt herausgearbeitet. Viele weitere folgten im Laufe der Jahre. Vom kleinen Bildnis bis zur großen Statuette an der Residenz findet sich alles in seiner Sammlung. Entlang von Kirchenmauern oder an Privathäusern hat er sie aufgetan und für den interessierten Betrachter fixiert.  „Bei all den hunderten von Fotografien weiß ich immer noch, wo jedes einzelne sich befindet“, erzählt er. Alle für die Nachwelt festgehaltenen Exemplare hat er zudem mit dem jeweiligen Adressverweis versehen. 

Herangehensweise

Einer wie Clemens Kindler ist natürlich auch Chronist des Vergänglichen. „Viele der Motive aus meinen Sammlungen gibt es heute gar nicht mehr“, so der bildnerische Bewahrer dieser Historie. „Viele der Häuser sind abgerissen, Mosaike im Zuge von Sanierungen entfernt worden oder Skulpturen beschädigt sowie vom Zahn der Zeit sonst wie  dahingerafft“. Kindler hat es sich zur Aufgabe gemacht, wenigstens ein fotografisches Gedächtnis und Vermächtnis dieser künstlerischen Werke aus den unterschiedlichsten Jahrhunderten der Stadtgeschichte zu bewahren. „Auf meinen Streifzügen mit dem Fahrrad durch  die verschiedenen Viertel entgeht mir wenig“, schmunzelt der ausgewiesene „Madonnen-Knipser“. Dabei ist die Stadt nicht gleichmäßig gesegnet mit diesen Dauerkunstexponaten im öffentlichen Raum: „Gern ist außer dem Zentrum der Stadtteil mit den meisten Figuren – allein in der Tizianstraße habe ich sieben Motive entdeckt“. In Berg am Laim musste der Sammler nach eigenem Bekunden lange suchen – „Erst vor kurzem habe ich in der Pachemstraße aber ein schönes Mosaik gefunden“, erzählt er. 

Kein Halten mehr

Dann gibt es für Kindler kein Halten mehr: Die Kamera wird justiert, Weitwinkel oder Teleobjektiv aufgeschraubt und vom jeweils besten Standort aus das Motiv anvisiert – klick – und die Sammlung ist wieder erweitert. „So einfach ist das natürlich nicht. Ich fahre schon mal morgens um halb sechs quer durch die Stadt in die Albert-Roßhaupter-Straße nach Sendling oder fotografiere am lauen und lichten Sommerabend in der Schwabinger Herzogstraße – weil die unterschiedlichen Motive in ebenso unterschiedlichem Licht am besten zur Geltung kommen.“ 

Dabei erlebt der rüstige Rentner neben den notwendigen körperlichen Verrenkungen in engen Wandnischen, beim durchaus schwierigen Foto-Anschlag auf wackeligem Podest oder im Falle des technisch anspruchsvollen Einjustierens der Kamera aus manchmal notwendigerweise größerer Entfernung auch den ein oder anderen witzigen bis skurrilen Moment. „Ich habe die Leut’ auch schon beim Mittagessen gestört – wie neulich etwa in Haidhausen. Da habe sich der dortige Hausherr den Ausweis des ewigen Fotografen zeigen lassen – dann durfte Kindler seinen geübten Schnappschuss machen. „Erst vor kurzem fragten mich am Ort der Handlung zwei ältere Damen, was ich denn da so treibe“, erzählt der Madonnen-Verewiger munter weiter. Den Apparat im Anschlag erklärte er sein würdiges Tun. „Woraufhin die eine Dame prompt jubelte: Das Buch kaufe ich mir.“

Noch kein Buchprojekt

Kindler hat nicht widersprochen – auch wenn ein Buchprojekt derzeit aufgrund der Kosten und der schwierigen bis unmöglichen historischen Einzelaufbereitung seiner Motive in einem dann notwendigen Glossar für ihn (noch) nicht im Raum steht. Zu wenig Beachtung fänden die Madonnen in der Wahrnehmung etwa des Stadtarchivs oder der Erzdiözese, die „kein Interesse“ an seiner Sammlung gezeigt hätten. Aber Kindlers durchaus imposantes Bildmaterial wäre wohl eine Veröffentlichung wert – zusammen mit mancher Anekdote und Begegnung im Rahmen seines Schaffens. Etwa jener vom verärgerten bajuwarischen Grantler, der ihn einst anmaulte, warum er gerade die Madonna mit Halbmond in der Heßstraße 94 fotografiere. „Des is doch des Zeichen der Moslems – warum grod des?“ schimpfte der Alte, bevor er von dannen zog – und Kindler unbeirrt ein weiteres sakrales Juwel verewigen konnte. Oder das Bildnis selbst bringt den Sammler zum Schmunzeln. „Madonna mit der falschen Hand“ etwa hat er jene Skulptur in der Hackenstraße direkt neben der Hundskugel genannt. „Diese Madonna hat wohl versehentlich eine linke statt einer rechten Hand angeschraubt bekommen“, so Kindler. Dem geübten Betrachter war diese Nuance bereits am Ort der Handlung aufgefallen. Den Betrachter seiner Bilder weist Kindler mit fast liebevollem Detailblick auf dieses Bonmot hin. 

Auftrag fast erledigt

„Lange werde ich das nicht mehr machen, es ist ja fast alles abfotografiert“, sieht Kindler sein Madonnen-Engagement zeitlich begrenzt. Ohnehin ist der Mann vielseitig – seine kunstmalerischen Exponate hat er bei der Berg am Laimer Künstlergilde bereits ausgestellt. „Die Madonnenbilder sind demnächst dran“, verspricht Helmut Bollinger als eine der treibenden Kräfte der wichtigen Kultureinrichtung im Stadtteil. Bollinger muss lachen, wenn er an ein besonderes Erlebnis mit dem Foto-Sammler Kindler denkt. „Ich habe als Friedhofspfleger von St. Stephan hier in Berg am Laim eine Familie in der Schellingstraße besucht, die hier in Berg am Laim ein Familiengrab hat. Dort in Schwabing hatten sie eine tolle Madonnen-Sammlung, versteckt im Hinterhof!“ Bollinger habe stolz dem Fotografen Kindler erklärt, was er da tolles gesehen habe. „Diese Skulpturen habe ich doch längst fotografiert“, habe dieser schelmisch grinsend erwidert. Der Madonnen-Spürnase Kindler entgeht eben selbst in Hinterhöfen nichts. Bis die Ausstellung bei der Künstlergilde terminiert ist, dürfte er noch den ein oder anderen edlen Fund mehr anvisiert, geknipst und katalogisiert haben. Harald Hettich  

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