Visionär und Pionier

In Ramersdorf gibt es einen Platz samt U-Bahnstation, der nach ihm benannt wurde: Karl Preis. Ganz in der Nähe davon, bei der Gewofag-Zentrale in der Kirchseeoner Straße, gibt es nun eine Ausstellung, die an den ehemaligen Stadtreferenten und Vater des kommunalen Wohnungsbaus in München erinnert.
12.000 neue, bezahlbare Wohnungen in drei Jahren – ein Traum für den Chef der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag. „Das war eine enorme Leistung, in so kurzer Zeit Tausende von Wohnungen zu erstellen“, erklärt Klaus-Michael Dengler. „Ein starkes Vorbild, ein Visionär und Pionier, weil er mit seinen innovativen Ideen und seiner Durchsetzungskraft den sozialen Münchner Wohnungsbau revolutionierte.“
Zwischen 1928 und 1930 setzte der damalige Stadtrat und Wohnungsbaureferent Karl Preis sein Münchner Sonderbauprogramm zur „Beseitigung der Wohnungsnot in München“ um. Dabei hat er auch noch „so nebenbei“ die Gewofag gegründet. Was kaum einer weiß: „Das Geld für den Wohnungsbau holten sich Preis und sein Freund, Oberbürgermeister Karl Scharnagl, aus dem Ausland“, erzählt Preis-Enkel Hannes S. Macher. Anfangs hatten die Banken und Sparkassen noch finanziert, doch wegen der Wirtschaftskrise wollten die Kreditgeber sich in den folgenden Jahren nicht mehr auf Anleihen einlassen und verweigerten bereits zugesagtes Geld.
Die Münchner reisten in die USA – und kamen mit einer Million-Dollar-Summe im Gepäck zurück. Zu den fünf Gründersiedlungen der Gewofag gehört auch Neu-Ramersdorf. Es sind die Wohnhäuser, die heute noch an der Melusinen-, Anzinger-, Rosenheimer- und Bad-Schachener-Straße stehen. Karl Preis setzte einen ganz neuen Standard um: Alle Wohnungen verfügten über Bad und Toilette. Was damals nicht selbstverständlich war.
„Karl Preis ließ nicht einfach nur Wohnungen bauen, er entwickelte ganze Lebensraumkonzepte“, so Dengler. So gab es Gemeinschaftseinrichtungen und Waschküchen für die Bewohner, außerdem Kinderspielplätze, Einzelhandel, Werkstätten für Handwerker, Arztpraxen und Apotheken. Selbst Schulen, Kindertagesstätten und Kirchen wurden beim Siedlungsbau berücksichtigt. Eine Pionierleistung, die damals deutschlandweit einzigartig war. „So manche Selbstverständlichkeit, wie wir sie heute kennen, geht auf Karl Preis zurück.“
Hannes S. Macher hat von seiner Mutter mehrere Umzugskartons mit dem Nachlass des Großvaters erhalten. Der frühere Geschichtslehrer hat gemeinsam mit Renate Wirthmann vom Arbeitskreis Stadtteilgeschichte Ramersdorf die Gedächtnisschau gestaltet. Es gibt zahlreichen historische Bilder und Zeitdokumente zu sehen. Wie etwa eine Auflistung der Lebenshaltungskosten um 1929 oder die alte gusseiserne Registrierkasse, an der die Gewofag-Mieter einst ihre monatliche Miete in der örtlichen Hausverwaltung bezahlten und auf „Mietquittungskarten“ per Stempel bestätigen ließen. „Zuletzt war er nicht nur Wohnungsbaureferent, sondern auch Wiederaufbaureferent und Flüchtlingskommissar für Oberbayern“, erzählt sein Enkel.
Zuviel für Karl Preis, der 1946 überraschend an Gelbsucht verstirbt. „Er hätte auch heute genug zu tun“, meint Dengler. Die Ausstellung ist noch bis 13. Oktober im Foyer der Gewofag-Zentrale an der Kirchseeoner Straße 3 zu sehen. Dazu gibt es auch noch eine interessante Broschüre zum Lebenswerk von Karl Preis, die man sich auch in der Mediathek der Gewofag unter www.gewofag.de/web.nsf/id/publikationen-gewofag herunterladen kann. Carmen Ick-Dietl