Ein Blick ins alte Trudering: Menschen, Schicksale, Ereignisse
Jede Woche öffnen Georg Kronawitter und Peter Wagner vom Truderinger Kulturkreis in HALLO ihr umfangreiches Foto-Archiv und erzählen Anekdoten aus der Vergangenheit...








29. Januar: Aus einer kleinen Ziegenhirtin wurde eine Hebamme

Die ländliche Idylle wurde aufgenommen, als Waldtrudering noch nicht zu München gehörte, sondern Teil der selbständigen Gemeinde Trudering war. Das Foto zeigt ein unbebautes Grundstück in der Dar-Es-Salaam-Straße, das noch bis zum Birkhahnweg reichte, der früher Kaiserstraße hieß. Die Straßen erhielten erst im Zuge der Eingemeindung am 1. April 1932 zu München ihre jetzigen Namen, um eine Namensgleichheit mit bereits in München vorhandenen Straßennamen zu vermeiden. Waldtrudering bestand weitgehend aus Wald. Die parzellierten Grundstücke waren bereits eingezäunt, aber noch nicht bebaut. Noch heute kann man in einigen Gärten alte Holzhäuser entdecken, die aus der Pionierzeit stammen, bevor dann das größere Steinhaus errichtet werden konnte. Die Ziegen auf dem Bild machen deutlich, dass die damaligen Siedler ihre Haustiere in erster Linie zur Versorgung mit Grundnahrungsmitteln hielten. Das Mädchen mit der großen Haarschleife rechts auf dem Foto ist Wilhelmine Rall, die langjährige Waldtruderinger Hebamme aus dem Birkhahnweg 46, die erst vor einigen Jahren verstorben ist. Neben ihr sitzt Kuno Gebhardt, der auf dem seit 1919 bebauten Nachbargrundstück mit seiner Familie wohnte.
8. Januar: Aus einer Zeit, als es noch schneite

Das waren noch Zeiten, als es im Winter noch genug Schnee gab. Damals spielten die Kinder noch nicht stundenlang am Computer, sondern bewegten sich in frischer Luft. Naherholung war noch kein geläufiges Schlagwort, sondern eine Selbstverständlichkeit. Es gab noch keinen Massentourismus in die fernen Wintersportorte. Man erholte sich im nahen Wohnbereich, sparte damit Zeit, Geld und schonte die Umwelt. Schneemannbauen war für Kinder schon immer eine beliebte Wintersportart, kreativ und gesund. Aber auch lustig, wenn er bei Föhneinbruch so langsam wieder dahinschmolz. Stolz und zufrieden präsentieren sich auf dem Foto von 1943 Waldtruderinger Kinder am Eulenhorst um den Schneemann. Er schaut wirklich süß aus und ist sogar ein kleines Kunstwerk geworden. Ob es in Zukunft auch noch solche Bilder geben wird? Wenn man den Prognosen der Klimaexperten glaubt, wird sich unser Klima stetig erwärmen und es wird immer weniger Schnee im Winter geben. Dann könnte das Foto mit dem Schneemann ein Dokument einer vergangenen Epoche werden. Vorausgesetzt, diese HALLO-Ausgabe übersteht die Zeiten.
4. Dezember: Mit einfachsten Mitteln gebaut

Das Foto stammt aus der Pionierzeit Waldtruderings. Die Siedlung gehörte damals noch nicht zu München, sondern war der östlichste Teil der selbständigen Gemeinde Trudering. Es fällt sofort ins Auge, warum unser Stadtteil seinen Namen „Waldtrudering“ einmal zu Recht getragen hat. Das Grundstück lag damals am Lerchenweg 2 bis 4 in Trudering. Nach der Eingemeindung 1932 erhielt es im Rahmen der notwendig gewordenen Straßen-Umbenennungen die Adresse Kranichweg 40. Die Szene zeigt den Baubeginn eines Hauses im Frühjahr 1931. Dies ist nicht auf den ersten Blick zu erkennen, da keine größeren Gerätschaften für den Aushub zu sehen sind. Lediglich zwei Schaufeln (eine hinter dem Bastkorb verdeckt) und eine Schubkarre zeigen, wie mühsam und mit geringsten Mitteln sich das Paar an den Hausbau wagt. Zunächst mussten einige Bäume gefällt werden, um für die Grundfläche des Hauses Platz zu schaffen. Die Verschalung des Kellers konnte anschließend nur stückweise erfolgen, da das Abstützmaterial nicht in genügender Menge zur Verfügung stand. Es wurde auf mehrere Male betoniert. Heute steht das Haus nicht mehr. Es wurde vor einigen Jahren abgerissen und an gleicher Stelle eine größere Villa gebaut.
25. November: Eine Silberfuchsfarm in der Einsamkeit

Fragen Sie einen Truderinger nach der Grenzkolonie, so weiß kaum einer, dass es sie gibt. Aber es gibt sie, die Truderinger Grenzkolonie. Und das bereits seit fast 90 Jahren. Von der kurzen Grundlinie der Friedrich-Creuzer-Straße aus schiebt sie sich mit drei Längs- und vier Querstraßen keilförmig in den Truderinger Wald hinein, wo ihr spitzes Ende bei der Schwedensteinsiedlung endet.
Die Anfänge gehen bis zum Jahr 1930 zurück, als der Tierarzt Dr. Behringer hier in der Einsamkeit eine Silberfuchsfarm errichtete. Alsbald fand er Nachbarn, die sich in ihren Parzellen kleine Wochenendhäuschen bauten, Bäume fällten und Gärten anlegten. Nach anfänglichem Streit mit den Behörden wurden die „einfachen Bauwerke“ dann geduldet. In den Kriegswirren zog es noch weitere Menschen in die noch kleine Wochenendsiedlung. Nach Kriegsende erfolgte die eigentliche Besiedelung. Aus Feldwegen wurden Straßen; es wurden Wasser- und Stromleitungen gelegt und aus einfachen Gartenhäuschen wurden Ein- und Zweifamilienhäuser. Heutzutage müssen diese immer mehr größeren und komfortableren Wohngebäuden weichen, wobei auch die ursprünglich vorhandenen Gärten immer mehr verschwinden. Für viele: leider.
23. Oktober: Als der große Hagel kam

Der Hagel kam aus heiterem Himmel. Kaum, dass die Tagesschau am 12. Juli 1984 begonnen hatte, prasselte der dramatischste Hagelsturm der letzten hundert Jahre los. Der Unwetterstreifen reichte von Finning bei Landsberg bis Haag bei Mühldorf und war kaum zwei Kilometer breit.
Am Boden hinterließ er abgebrochene Bäume, abgedeckte Dächer, zerschlagene Gewächshäuser und Fensterscheiben sowie eine dicke Schicht von übergroßen Hagelkörnern bis zur Größe von Tennisbällen. Der damalige Oberbranddirektor Saagerer sagte: „Das Schwergewicht der Verwüstungen lag eindeutig im Münchener Osten und Südosten, speziell in Trudering, Berg am Laim, Giesing und Neuperlach.“ Die Zahl der Hilfesuchenden war so groß, dass die Telefonleitungen überlastet waren.
Die Einsatzleitung entschloss sich daraufhin, an drei Stellen mobile Außenposten einzurichten: an der Baumkirchner Straße, bei der Gaststätte Obermaier in der Truderinger Straße und bei der Tela-Post in der Tegernseer Landstraße. Immerhin waren bei 73 Prozent aller Truderinger Häuser Dachschäden zu verzeichnen.
Alle Hilfsdienste waren rund um die Uhr im Einsatz, wie der damalige BA-Vorsitzende Weiss in seinem Dank anmerkte. In etwa 20 Minuten waren pro Quadratmeter 38 Liter Regen (das ist in etwa die halbe Monatsmenge) gefallen, 300 Personen waren in München verletzt worden und ein Hausbesitzer starb an einem Herzschlag.
25. September: Zweites Leben Jesu

Trudering – Der eilige Fußgänger ist überrascht, an der Ecke Friedenspromenade/Gartenstadtstraße ein kleines Parkidyll vorzufinden. Noch mehr erstaunt ist er, dort ein Feldkreuz zu erblicken, das dem Ort eine zusätzliche religiöse Weihe verleiht. Feldkreuze stehen wie Marterl und Wegkapellen als „Flurdenkmäler“ an exponierten Stellen.
Sie wurden als Wegmarkierungen von den Klöstern oder auch aus pietätvoller Dankbarkeit von Privatpersonen gestiftet, ohne jedoch den teilweise sehr deutlichen Texten wie bei den Marterln: „Hier fiel Emmanuel Zimmerreit – vom Hausdach in die Ewigkeit“.
In den Jahren 1984 bis 1987 haben Mitglieder der Bezirksvereinigung Gartenstadt-Trudering e.V. diesen schönen Platz in Eigenleistung geschaffen, wo einst ein Schuttablageplatz die Gegend verunstaltete. Interessant ist die Geschichte der Christusfigur, die offensichtlich aus der Barockzeit stammt. Ein Mitglied des Vereins entdeckte sie im niederbayerischen Raum, lädiert und stark verwittert. Sie wurde auf Kosten der Bezirksvereinigung aufwändig restauriert. Auch Holzkreuz und Sockel wurden in Eigenarbeit erstellt.
Nach 20-jährigem Bestand war eine erneute Restaurierung erforderlich. Sie wurde durch einen Zuschuss der Stadt München gefördert. Nun prangt seit 2001 das Feldkreuz wieder in voller künstlerischer Schönheit am Rande des idyllischen Parks.
18. September: Wo der Blick in die Ferne schweifte

Trudering – Genau 50 Jahre stand das Wahrzeichen von Waldtrudering an der Wasserburger Landstraße 202, an der Stelle, wo heute das Feuerwehrhaus steht. Nicht weit davon entfernt erinnert noch die Wasserturmstraße an das Bauwerk, das immerhin 37 Meter hoch war.
Unser Bild zeigt, dass man über den Dachfirst westwärts einen Blick auf die Stadt München werfen konnte, während man über die Brüstung einen guten Ausblick in alle anderen Himmelsrichtungen genießen konnte. Aber dafür wurde der Turm im Jahre 1922 nicht gebaut. Auf der Höhe, in der die Dachschräge begann, waren zwei Wassertanks, die insgesamt 45 Kubikmeter Wasser bunkerten. Damit war die Versorgung von ganz Trudering sichergestellt.
Das Wasser für die Tanks kam von dem Pumpwerk, das neben der Kirche Christi Himmelfahrt stand. Die große Wasserleitung verlief unter der Waldschul- und Waldtruderinger Straße bis zur Wasserburger Landstraße zum Turm. Nicht nur das Wasserreservoir und einen Ausblick enthielt der Wasserturm; hier war auch die Sirene für die Feuerwehr angebracht.
Die Brandmeldungen gingen bei der Polizeistation am Birkhahnweg ein, wo dann ein Polizist erst zum Wasserturm radeln musste, um die Sirene einzuschalten. Und er hing einen Zettel an die Tür, wohin die Feuerwehrmänner zu fahren hätten.
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