Kunst in Haar – von Ute Dechent und Altbürgermeister Helmut Dworzak

Ein Mann steht auf einer Brücke und schaut still in die Ferne. Neben ihm, aber mit deutlichem Abstand, wirkt eine Frau mit einem Mädchen deutlich aktiver. Ist es ihre Tochter? Spielen sie ein Spiel? Warum wirkt der Mann so abwesend? Fragen, die das Kunstwerk an der Hans-Stießberger-Straße nicht beantwortet. Jeder kann seine eigene Antwort finden, denn auch eine Interpretation des Künstlers gibt es nicht. Wahrscheinlich laufen sogar die meisten Menschen unter der Szene hindurch, ohne sie zu bemerken. Auch um das zu ändern, hat Haars Altbürgermeister Helmut Dworzak mit Ute Dechent das Buch „Einblicke – Kunst im öffentlichen Raum“ in Angriff genommen. Auf gut 100 Seiten werden sämtliche Kunstwerke präsentiert, die Haar zu bieten hat – mit vielen Bildern, Erklärungen, Anekdoten und einem Verzeichnis, wo in der Gemeinde was zu finden ist. Dass Kunst in Haar keine Sache für Museen ist, sondern den öffentlichen Raum eroberte, ist nicht zuletzt das Verdienst von Helmut Dworzak selbst. In seinen 22 Jahren als Bürgermeister bestand er so manchen Kampf, um auch umstrittene Kunstwerke in das Ortsbild zu integrieren – und es letztlich sogar von ihnen prägen zu lassen. „Kunst für alle. Nicht gefällig. Durchaus provozierend“, lautet seine Maxime bis heute. Ein bewusst gesetzter, bunter Kontrapunkt zum Zeitgeist. „Sicher gibt es Ausnahmen, aber die Beliebigkeit der Architektur dominiert. Trotz so noch nie gegebener technischer Möglichkeiten verdrängt Gewinnstreben und Kostendenken die Individualität und Kreativität, Gerade die wären aber notwendig, wenn wir Orte der Identitätsfindung schaffen wollen“, sagt Dworzak. Und klingt dabei mehr wie ein junger Kandidat voller Visionen als wie ein Altbürgermeister.
Das Buch von Ute Dechent und ihm kein Kopf-, sondern ein Herzensprojekt – und das merkt der Leser auf praktisch jeder Seite. Dowrzak legte sich oft in den frühen Morgenstunden und manchmal stundenlang auf die Lauer, um das richtige Bild zu bekommen, Dechent recherchierte über Monate und Jahre, um die Geschichten hinter den Kunstwerken zu beleuchten. Und der Aufwand hat sich gelohnt. Denn ob Kunstbanause oder Kunstkenner, für jeden findet sich in dem Buch Neues, Spannendes, Anregendes.
Wer weiß schon, dass in der Tannenhofsiedlung eine Bronzestatue einer Geißenmutter mit ihren sieben Geißlein steht? Und dass der böse Wolf in der Darstellung bewusst fehlt, um die Geborgenheit der neu entstandenen Sozialwohnungen zu symbolisieren? Wer hätte gedacht, dass der wuchtige, nur in groben Zügen in Stein geschlagene Engel neben der St. Konrad-Kirche einmal für große Aufregung sorgte. Die Gemeinde hatte ihn gesäubert, dabei sollte gerade die Verwitterung das Vergessen einzelner Schicksale verdeutlichen?
Mit dem Buch erhält Haar einen neuen Zugang zu sich selbst. Die Chance auf neue Entdeckungen und einen spannenderen Zugang zum Alltag. Es ist für 25 Euro im Rathaus zu erwerben.
Marco Heinrich