Über 145 Tage nach Kriegsbeginn befinde sich dieser militärisch betrachtet in einer Pattsituation, gab Hans-Lothar Domröse seine fachliche Einschätzung. Der Kreml habe seine militärischen Ziele nicht erreicht, weil er nicht damit gerechnet habe, dass sich der Gegner zur Wehr setze. Nun handle es sich um einen Stellungskrieg bei dem beide Parteien „wie Boxer in der zwölften Runde“ an den Grenzen ihrer Kräfte seien. Doch auch wenn beide Seiten hohe Verluste einbüßten, hätte Russland die Eskalationsdominanz. Den Russen fehle es an Vertrauen untereinander, die Ukrainer würden dagegen clever agieren. „Im Kopf wird eine Menge entschieden“, so der General a.D.
Wie es um das Durchhaltevermögen in der Bevölkerung steht, wollte Moderator Masala vom Generalkonsul wissen. „Das ganze Volk ist bereit zu kämpfen“, betonte Yarmilko. Die Bevölkerung werden so lange wie nötig durchhalten, denn: „wir haben keine andere Alternative“. Kapitulieren würde bedeuten, einen Staat zu verlieren, für den die Ukrainer Jahrhunderte gekämpft haben.
Klar sei, dass die Ukraine die Unterstützung aus dem Westen dringend brauche. Die bisherige Brückenbau-Politik mit Russland bezeichnete Yarmilko als gescheitert. Nun verteidige die Ukraine nicht nur ihr eigenes Land, sondern sie schütze die demokratische Welt gegen die Barbarei Russlands.
Florian Hahn, Europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kritisierte das Bundeskanzleramt dafür, keine klare Einstellung zum Ukraine-Krieg zu zeigen. „Es geht knallhart um eigene Interessen“, betonte der Putzbrunner. Deutschland müsste alles tun, um die Ukraine zu unterstützen – außer selbst Kriegspartei zu werden. Schließlich gehe es um die Sicherheit Deutschlands und Europas, denn vor allem im Baltikum seien viele Menschen überzeugt, dass Putin dort weiter machen werde, wenn er gegen die Ukraine siege. Durch das Zögern bei den Waffenlieferungen habe Deutschland laut Hahn international ein „verheerendes Bild“ abgegeben.
Die Journalistin Gudrun Dometeit schloss sich der Kritik von Hahn an, dass eine politische Zielsetzung in der Bundesregierung fehle. „Solange wir keine klaren Ziele haben, bringt eine Diskussion über Waffen gar nichts“, erklärte sie. Die Russen zu schlagen, bezeichnete Domröse als „illusorisches“ Ziel. Wichtig sei es, die Ukrainer so lange zu unterstützen, bis sie ein selbstbestimmtes Leben in ihrem Land führen können. „Wenn wir sie nicht unterstützen, wird Putin die ganze Ukraine einnehmen“, prophezeite er. Sobald der Krieg ende, sei eine Sicherheitsgarantie für die Ukraine entscheidend, betonte neben Domröse auch Generalkonsul Yarmilko.
Doch wie lange sind die Deutschen bereit zu unterstützen? Was die Stimmung in der Bevölkerung betreffe, könne Dometeit nicht feststellen, dass die Aufmerksamkeit beim Thema Ukrainekrieg nachlasse. „Wir haben noch nie so viele Leserbriefe wie zu diesem Thema erhalten“, meinte sie. Allerdings vermute sie, dass es im Herbst mit Blick auf die steigenden Energiepreise eine Schlussstrich-Diskussion in der Öffentlichkeit geben werde.
Die Bürger müssten sich im Herbst wortwörtlich warm anziehen, meinte Florian Hahn. Es sei extrem wichtig zu vermitteln, dass es sich nur um eine kurzfristige Situation handle. „Der unbedingte Wille, dass die Ukraine nicht verliert, darf uns nicht verloren gehen“, erklärte Hahn. Sollte es im Herbst zu einem möglichen Waffenstillstand kommen und die Ukraine würde auf das Angebot nicht eingehen, sei es laut Dometeit und Domröse schwierig, dafür bei den Deutschen für Verständnis zu werben.
Er wisse, welch wichtige Rolle die Gaspreise spielen werden, erklärte Generalkonsul Yuriy Yarmilko. Doch auf der einen Seite stünden ein paar mehr Euro für Gas und etwa kältere Temperaturen, auf der anderen Seite Menschenleben und zerstörte Städte. „Da ist für mich die Entscheidung ganz klar!“
Iris Janda
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