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Der Verein Integra in Taufkirchen und Unterhaching zeigt, wie Inklusion bereits seit 1991 gelebt wird

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In der Taufkirchener Inklusionseinrichtung Integra gibt es viele Spielmöglichkeiten. So auch dieser Weidenkorb im Garten, aus dem Mitarbeiterin Annette Gutt und Geschäftsführerin Brigitte Haas herausschauen. Seit 1991 werden dort Kinder mit und ohne Behinderung in gemeinsamen Gruppen erfolgreich betreut.
In der Taufkirchener Inklusionseinrichtung Integra gibt es viele Spielmöglichkeiten. So auch dieser Weidenkorb im Garten, aus dem Mitarbeiterin Annette Gutt und Geschäftsführerin Brigitte Haas herausschauen. Seit 1991 werden dort Kinder mit und ohne Behinderung in gemeinsamen Gruppen erfolgreich betreut. © ija

Seit 1991 werden beim integrativen Verein Integra in Taufkirchen Kinder mit und ohne Behinderung in gemeinsamen Gruppen ­betreut. Die Elterninitiative von einst ist schnell zum festen Bestandteil der Gemeinde geworden.

Im April diesen Jahres setzte das Bundesverfassungsgericht ein klares Zeichen für mehr Inklusion: Es erteilte auf Eilantrag der Opposition im Bundestag Menschen mit gerichtlich bestelltem Betreuer schon zur Europawahl vom 26. Mai das Wahlrecht. Das Thema Inklusion ist in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung immer präsenter geworden. Wie Menschen mit Behinderung richtig integriert werden können, steht regelmäßig zu Debatte. Dass das gar nicht so schwer ist, zeigt sich in Taufkirchen.

„Wir tun es einfach schon die ganze Zeit“, erklärt Anne Gutt, die die Öffentlichkeitsarbeit beim Verein Integra in Taufkirchen betreut, zur Inklusion.Bereits vor 28 Jahren, im Frühjahr 1991, gab es in Taufkirchen eine Gruppe von Eltern mit Kindern mit und ohne Behinderung, die auf den Mangel an integrativen Kindergärten aufmerksam wurde. Kurzerhand beschlossen die Eltern, eine integrative Einrichtung zu gründen, damit ihre Kinder gemeinsam in den Kindergarten können. So war der Grundstein für Integra gelegt. Dass der Bedarf für eine solche Einrichtung da war, zeigte sich schnell. Aus einer Gruppe zu Beginn wurden schnell zwei, dann vier. Es folgten über die Jahre die Gründung der Beratungsstelle, des Familienzen­trums, der Mittagsbetreuung, der integrativen Krippe in Unterhaching und des Familienstützpunkts. „Die Geburtenzahlen sind nicht gestiegen, sondern der Betreuungsbedarf“, erklärt sich Geschäftsführerin Brigitte Haas die große Nachfrage. Und Anne Gutt ergänzt: „Es hängt auch mit der Taufkirchner Entwicklung in Summe zusammen. Es wurden viele Neubaugebiete errichtet, in den 90er Jahren hat sich die Lage dann dramatisiert, es fehlten zeitweise 100 Betreuungsplätze.“ 

Weil die Nachfrage so groß war und damit auch immer mehr Vorschriften hinzukamen, baute der Verein seine Verwaltung weiter aus und führte eine Geschäftsleitung ein. Auch bei der Unterbringung gab es eine große Veränderung. Die Gemeinde stimmte 2012 dem vier Millionen Euro teuren Neubau des Integra-Hauses am Köglweg 100 zu. „Tranquilla Trampeltreu“ wurde das Integra-Haus der Kinder getauft. So heißt die Schildkröte aus Michael Endes gleichnamigem Buch. Es geht darin um ein beharrliches Voranschreiten, Schritt für Schritt. Das zweistöckige Gebäude ist hell und offen, die Gänge sind bunt und laden zum Spielen ein. Die Gruppenräume sind Richtung Osten ausgerichtet und bieten Blick auf den liebevoll gestalteten Garten. „Im Sommer wird es zwar recht heiß in den Räumen, aber dafür können die Kinder im Winter den Sonnenaufgang bewundern“, erklärt Haas beim Rundgang durch das Haus. Und bei Hitze können sich die Kinder zum Beispiel am Wasserspieltisch im Garten abkühlen. Ein weiteres Highlight dort: Das sogenannte Ameisennest. Dabei handelt es sich um ein spezielles Klettergerüst, das auf dem ersten Blick wie ein zusammengeworfener Haufen von Holzbalken wirkt. Tatsächlich kann durch diese ungewöhnliche Gestaltung jedes Kind, unabhängig von seinen motorischen Fähigkeiten, darauf herumklettern. „Wir wollten etwas, wo sich jeder irgendwie austoben kann“, verdeutlicht die Geschäftsführerin. In dem Haus werden eine Regelkrippe und fünf Kindergartengruppen betreut. Neben einer Kindergarten-Regelgruppe gibt es drei Gruppen mit fünf Integrations- und zehn Regelkindern, in einer kommen drei Kinder mit Behinderung auf zwölf Regelkinder. In der integrativen Krippe in Unterhaching, die erste ihrer Art im Münchner Landkreis, kommen jedes Jahr drei bis sechs Inte­grationskinder unter.

Auf den ersten Blick gebe es kaum einen Unterschied zwischen integrativer und regulärer Gruppe, wie Haas erzählt: „Wenn Sie in der

Die Integra-Mitarbeiterinnen Annette Gutt und Brigitte Haas führen den Wasserspielplatz der Einrichtung in Taufkirchen vor. Dort gibt es viel Platz und viele Spielmöglichkeiten für Kinder mit und ohne Behinderung.
Die Integra-Mitarbeiterinnen Annette Gutt und Brigitte Haas führen den Wasserspielplatz der Einrichtung in Taufkirchen vor. Dort gibt es viel Platz und viele Spielmöglichkeiten für Kinder mit und ohne Behinderung. © ija

Regelgruppe sind und gehen danach in die Integrationsgruppe, merken Sie keinen Unterschied.“ Einzige Ausnahme sei, dass eine Heilpädagogin in die Gruppe komme und es ebenso zusätzliche Angebote durch eine Spieltherapeutin und eine Montessori-Therapeutin gebe. Außerdem gibt es in der Krippe altershomogene Gruppen. Das sei besonders wichtig, weil die Entwicklungsschritte in diesen Altersklassen so enorm sind, wie Gutt verdeutlicht: „Die Kinder schauen sich unheimlich viel voneinander ab und können dadurch richtig große Schritte machen.“ So müsse sich ein Einjähriger nicht gegen einen Dreijährigen durchsetzen, ergänzt Haas. 

Das offene Konzept wird seit einigen Jahren in vielen Kindergärten und Krippen genutzt. Dort haben die Kinder keine festen Gruppen, Räume oder Betreuer und können sich frei im Gebäude bewegen. Bei Integra wäre das keine Option. „Wir brauchen hier feste Gruppen und Plätze“, erklärt Haas dazu. „Wir erleben, wie unsicher die Kinder oft sind in diesen Konzepten, gerade wenn es um Krippenkinder geht. Wir haben aber eben genau wegen der Sicherheit und Stabilität altershomogene Gruppen“, so Haas weiter. Es ist ja nicht ganz geschlossen“, fügt sie lachend hinzu. Kinder könnten selbstverständlich auch andere Gruppen besuchen.

Auch sei es besonders wichtig, dass die Pädagogen jedes Kind gut kennen. „Jeder ist bei uns einfach so, wie er ist. Die Betreuer entwickeln dafür ein Auge, genau zu schauen und auf das Kind entsprechend zu reagieren“, macht Gutt deutlich. Genau hinzusehen, ist für die Arbeit der Betreuer essenziell: „Gerade in der Krippe ist unsere Hauptaufgabe die Beobachtung. Ich muss als Pädagoge wirklich am Kind sein. Das schätzen die Mitarbeiter hier.“

Trotzdem sei es keine leichte Aufgabe, der nicht jeder gewachsen ist. „Es gab auch Mitarbeiter, die sagten, es wäre zu anstrengend“, räumt Haas ein. Trotzdem erhalte Integra immer noch Bewerbungen. „Das liegt auch an der integrativen Arbeit“, so Haas weiter. Gerade mit Blick auf andere Träger und Gemeinden im Landkreis, die derzeit händeringend nach Betreuungskräften suchen, kann sich der Verein glücklich schätzen. Dennoch ist auch dort ein Wandel spürbar, wie die Geschäftsführerin verdeutlicht: „Früher haben wir aus ganz Bayern das Personal bekommen oder aus dem Norden Deutschlands. Das gibt es heute nicht mehr. Die Preise hier schrecken einfach ab. Die haben Angst, dass sie die Wohnung nicht bezahlen und sich ihr Leben hier nicht leisten können.“ So hat Integra momentan trotz regelmäßiger Bewerbungen zwei Krippenbetreuerstellen offen, eine davon integrativ.

Dass der Verein Inklusion nicht nur bei den Kindern betreiben möchte, sondern beispielsweise auch Mitarbeiter mit Behinderung anstellt, betont Gutt: „Hier wird integriert auf allen Ebenen, durch alle Hierarchien hindurch wird Gesellschaft gelebt trotz Behinderung.“ Dass die Inklusion dem Verein so gut gelingt, liegt auch an dem vielen positiven Feedback, das ihm entgegenkommt. Genau das findet Haas an Taufkirchen besonders: „Wenn wir uns in der Gemeinde treffen, egal mit wem und worum es geht, es ist immer ein Miteinander. Alle wollen für die Kinder im Ort das Beste.“ Bei Integra darf jeder er selbst sein – auch was die Eltern betrifft. Gerade auch Familien, die bei anderen Einrichtungen abgelehnt werden, nehme man bei Integra auf. Für Geschäftsführerin Haas ist das selbstverständlich: „Ich sage dazu immer: Wenn nicht bei uns, wo sonst?“

Iris Janda

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