Anton Hofreiter (GRÜNE) warnt vor dem Rückfall in einen gefährlichen Nationalismus

Der Fraktionsvorsitzende des Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Bundestages, Anton Hofreiter, sprach in Kirchheim über die bevorstehende Europawahl. Vorweg gab er HALLO ein Interview.
Sie haben Ihre politische Karriere im Sauerlacher Gemeinderat begonnen. Wie war dort das Verhältnis zur CSU?
Als ich politisch sozialisiert wurde, regierte Franz Josef Strauß in Bayern. Er war ein Grund, weshalb ich zu den Grünen ging. Als ich 2002 Gemeinderat wurde, war der damalige Bürgermeister Walter Gigl von der CSU. Die Zusammenarbeit mit ihm war überraschend angenehm und unkompliziert. Er war ein Bürgermeister, der sich bemüht hat, überparteilich zu agieren.
In einer aktuellen Rede im Bundestag haben Sie zum Thema Klimakrise gefordert: „Die Krise muss als Krise anerkannt werden!“
Richtig, die Bundesregierung muss endlich verstehen, dass die Klimakrise wirklich eine Gefahr für unsere Lebensgrundlagen ist. Uns läuft die Zeit davon, unsere Lebensgrundlagen zu retten, damit auch die nächsten Generationen ein gutes Leben auf diesem Planeten haben können. Deswegen muss man das als Krise begreifen und entsprechend echte Maßnahmen ergreifen. Da ist der schnelle Kohleausstieg wichtig, ein vernünftiger Ausbau der erneuerbaren Energien, eine andere Landwirtschafts- und Verkehrspolitik. Aber dafür gibt es im Deutschen Bundestag derzeit leider keine Mehrheit.
Warum ist das so?
Weil die anderen Parteien ideologisch verbohrt sind und den Ernst der Lage nicht erkennen oder erkennen wollen. Ich glaube, dass manche es auch einfach nicht sehen. Umweltveränderungen kommen ja schleichend — aber dann mit voller Wucht. Wir verbrennen schon sehr lange Kohle und Erdöl. Und manche denken wohl, das wird schon gut gehen. Das ist aber ein gewaltiger Trugschluss.
Es fehlt also bei vielen das Bewusstsein der Zusammenhänge?
Was im Moment fehlt, ist eine Bundesregierung, die bereit ist, die richtigen Gesetze zu machen. Wir haben schon seit Jahren, gerade im Klimabereich, eine „Politiksimulation“. Es wird immer erklärt, Klimaschutz sei wichtig, aber dann wird nichts gemacht.
Die persönliche Glaubwürdigkeit der Grünen ist ja immer wieder ein großes Thema. Wie sind Sie hierher gekommen?
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Flieger? Seit die schnellere Bahnstrecke (Berlin-München) eröffnet ist, bin ich meist mit dem Zug unterwegs. Bei einem engen Terminplan ist das nicht immer möglich. Wir müssen schauen, dass die Bahn noch attraktiver wird, damit Kurzstreckenflüge künftig überflüssig werden. Entscheidend ist, dass wir dafür die Rahmenbedingungen verändern. Wir brauchen einen starken Ausbau der Bahn. Bahnfahren muss für alle Menschen besser, effizienter und schneller werden. Ich fordere, dass unsere Mobilität sauberer wird - und nicht, dass kein Mensch mehr fliegen oder Auto fahren soll.
Besonders die Forderung nach einem fleischfreien Tag – dem „Veggieday“ – wurde den Grünen ja sehr vorgeworfen...
Ich bin ein großer Fan von politischen Maßnahmen — und halte nichts davon, den Einzelnen moralisch zu überfordern. Natürlich müssen die Menschen mitmachen, die brauchen auch ein Bewusstsein dafür, aber als Bundestagsabgeordneter sehe ich es als meine Hauptaufgabe an, die Regeln, das heißt gute Gesetze, zu schaffen, damit sich das System ändert und nicht die Verantwortung allein dem Menschen zugeschoben wird.
Im Verhältnis der Industrienationen zu den Nicht-Industrienationen, was ist da Ihrer Ansicht nach das Hauptproblem?
Es geht darum, dass wir endlich zu faireren Handelsbeziehungen kommen. Wir brauchen Verantwortung in der Lieferkette — ohne Kinderarbeit oder Menschenrechtsverletzungen. Ich bin auch für Klimazölle. Ausländische Firmen, die ihre Produkte schmutzig, also mit hohem CO2-Ausstoß herstellen, müssten dann einen Ausgleich zahlen, wenn sie auf dem europäischen Markt verkaufen wollen. Gleiches sollte für Produkte gelten, bei deren Herstellung Menschen- und Arbeitnehmerrechte massiv verletzt worden sind. Da braucht es soziale Strafzölle.
Aber müssten dann die Leute, die Menschen, wir, persönlich von unserem Lebensstandard nicht zurückgehen?
Entscheidend ist für mich, dass wir das System ändern, dass es einfach nicht mehr möglich ist, bei uns Produkte zu kaufen, für die andernorts Menschen ausgebeutet oder die Natur zerstört wurde.
Was erhoffen sich die Grünen für die Europawahl?
Dass möglichst viele Menschen zur Wahl gehen und demokratisch wählen. Denn wir müssen Europa und unsere Demokratie gegen Angriffe von rechts verteidigen. Denn Europa ist die beste Idee, die Europa je hatte.Interview:
Claudia Engmann