Gut, ich habe erholsame Feiertage in meiner Heimat verbracht, in Fuchsmühl, da bin ich jedes Jahr über Weihnachten bei meinen Eltern. Wir gehen mit der Verwandtschaft essen, gehen in die Christmette und ich treffe meine Kumpels auf ein Bier. Da muss ich mir dann immer einiges anhören. Früher zum Club, heute zu den Löwen.
Nervt Sie das?
Hm, nein. Es war anfangs gewöhnungsbedürftig, aber es gehört dazu.
Fuchsmühl hat nur 1500 Einwohner. Dort kennt Sie wirklich jeder, oder?
Ja, aber es passiert mir auch in München immer wieder, dass ich unterwegs bin und merke: Jetzt tuscheln sie über mich und überlegen, ob ich das wirklich bin. Wenn einen so viele Menschen kennen, muss man aufpassen, dass man keinen Blödsinn macht (lacht).
Was denn für Blödsinn?
Nein, nichts, das war nur ein Scherz. Eigentlich hat es viele Vorteile. Man kann als öffentliche Person viel Gutes tun und auf einmal hören die Leute zu. Man kann etwas vermitteln, auch den Fans. Zum Beispiel, dass es Wichtigeres gibt als ein Unentschieden.
Was ist einem echten Löwen denn wichtiger?
Alles, was im normalen Leben passiert: Es gibt Kinder, die sterben. Und Senioren, die mit 80 noch arbeiten müssen, weil die Rente nicht reicht. Das ist doch Wahnsinn.
Ihr Vorgänger Daniel Bierofka war eine wichtige Identifikationsfigur für viele, die Fans haben ihn geliebt. Große Fußstapfen, in die Sie da treten, oder?
Nein, Irrtum, ich trete nicht in seine Fußstapfen, sondern mache meine eigenen. Es ist toll, wenn sich ein Trainer wie Daniel entfalten kann, aber ich gehe meinen eigenen Weg.
Haben Sie mit Bierofka gesprochen, als Sie dem Engagement zusagten?
Nein, Daniel hat sehr hart gearbeitet und brauchte Abstand und Ruhe. Aber eine Übergabe war auch nicht nötig, ich hatte zwei Wochen Zeit, mir selbst in Ruhe ein Bild von der Mannschaft zu machen.
Bevor Sie Profi-Trainer wurden, waren Sie mal Messdiener und Klosterschüler. Abseits, Jenseits – woran glauben Sie heute, an Fußball oder Gott?
Das schließt sich nicht aus. Es gibt sogar viele Parallelen. Beide haben Rituale und singen Hymnen – in der Kirche das Ave Maria, im Stadion die Fangesänge. Und beide versuchen, wieder hochzukommen, die Kirche wie der TSV. Bloß, dass für die Löwenfans Sechzig die Religion ist.
Ist ein Aufstieg der Sechzger denn realistisch?
Die Frage ist nicht das ob, sondern die Zeitspanne. Ja, der Verein muss in die 2. Liga. Aber nicht morgen. Dafür braucht man Ruhe und Geduld. Klar, den Fans wäre es am liebsten, wenn wir morgen aufsteigen. Aber wenn man die Dinge überstürzt, führt das zum Sturz und man holt sich eine blutige Nase.
Wie finden Sie die Ruhe dafür, bei den ständigen Streitereien zwischen Investoren- und Fanseite?
Der Messias, der den Verein zusammenbringt, will ich gar nicht sein. Ich bin für den Sport zuständig und damit habe ich genug zu tun. Klar, der Verein befindet sich in einem diffizilen Spannungsfeld. Die große Kunst ist es jetzt, ihn so zu lenken, dass der Fußball die dominierende Rolle einnimmt.
Glauben Sie, irgendwann reicht es den Fans und sie wenden sich ab?
Nein, auf unsere Fans ist Verlass. Sie haben die Auswärtsspiele in Haching und Ingolstadt stimmgewaltig zu Heimspielen gemacht, das ist ihre große Qualität. Sie sind Auswärtsfahrer und sie sind kreativ – wo andere nur ein Fanlied singen, haben sie drei, vier Lieder.
Sind die Fans zu gut für den Verein?
Solange sich die Mannschaft auf dem Feld den Arsch aufreißt, verliert der TSV seinen Kredit nicht. Und das tun die Spieler. Dafür haben die Löwenfans ein besonderes Gespür. Natürlich passt manchen Fans nicht alles. Aber sie sind so tief verwurzelt, dass sie zum Verein stehen, egal, was ist.
Was sind Ihre Ziele für 2020?
Privat wünsche ich mir Zufriedenheit und Glück. Materielles brauche ich nicht, manche brauchen ja große Autos oder Sportwagen, mich interessiert das nicht – vielleicht, weil ich gerade 50 geworden bin. Ich bin zufrieden, wenn ich jeden Tag aufstehen und glücklich verleben kann.
Geboren wurde Michael Köllner in Fuchsmühl in der Oberpfalz und zwar am 29. Dezember. Vor einigen Tagen ist er 50 Jahre alt geworden. Köllner war Klosterschüler und machte bei der Bundeswehr eine Ausbildung zum Zahnarzthelfer, war von 2002 an zwölf Jahre lang DFB-Koordinator für Talentförderung und sportlicher Leiter für die Regionalauswahlmannschaften U13 bis U17. Im Frühjahr 2017 wurde er Trainer beim Zweitligisten 1. FC Nürnberg, wo er im vergangenen Februar beurlaubt worden war. Seit November ist er Cheftrainer beim Drittligisten TSV 1860 München.
von HANNI KINADETER
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