1. hallo-muenchen-de
  2. Hallo-Interviews

Der Münchner Aktivist Claus Schreer über die Siko, Militärausgaben und die „Letzte Generation“

Erstellt:

Von: Gabriele Winter

Kommentare

Claus Schreer organisiert seit über 60 Jahren Friedens-Demos.
Claus Schreer organisiert seit über 60 Jahren Friedens-Demos. © Gabriele Winter

Am Wochenende findet wieder die Münchner Sicherheitskonferenz statt. Hallo hat mit einem Demo-Organisator über Protest und Politik gesprochen.

München ‒ Die Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) ist eine seit 60 Jahren im Februar stattfindende internationale Tagung, auf der sich Politiker – vor allem aus NATO-Ländern –, Militär- und Wirtschaftsvertreter sowie Experten für sicherheitsrelevante Themen treffen. Die Konferenz wird jedes Jahr von Protesten durch Friedensinitiativen und Rüstungsgegner begleitet. Seit Jahren federführender Mit-Organisator der Proteste ist der Grafiker Claus Schreer – gleichzeitig mit 84 Jahren einer der Ältesten vor Ort.

Die Demonstration mit dem diesjährigen Motto „Verhandeln statt Schießen – Abrüsten statt Aufrüsten“, beginnt am Samstag, 18. Februar, um 13 Uhr mit einer Auftaktkundgebung am Stachus und führt ab 14 Uhr großräumig um den Tagungsort der Siko im Bayerischen Hof. Wie Mit-Initiator Schreer über die derzeitige Russlandpolitik denkt, warum er es für wichtiger denn je hält, für Frieden auf die Straße zu gehen und was ihn politisch antreibt, verrät er hier.

Claus Schreer (84), Mit-Organisator der Anti-Siko-Demo, von A bis Z

Anti-Siko: Wir protestieren gegen die Sicherheitskonferenz, weil es dort nicht um Sicherheit geht. Im Bayerischen Hof geht es um die Stärkung der NATO.

Beamte: Persönliche Kontakte zu Polizeibeamten habe ich nicht. Bei Demonstrationen kooperieren wir mit ihnen, damit es nicht zu Konflikten kommt. 

Chaoten: Das ist ein Propagandabegriff, um Demonstrationsteilnehmer zu diskreditieren. 

Demo: Die erste Großdemo war 2002 und die größte 2003, kurz vor dem Angriffskrieg der USA gegen den Irak, der damals mit dreisten Lügen begründet wurde.

Empörung über eine Politik, die zu Krieg, Armut und Flucht führt, treibt mich persönlich an, politisch aktiv zu werden.

Friedenspolitik heißt abrüsten, statt zwei Billionen Dollar weltweit für Aufrüstung und Kriegsvorbereitungen auszugeben. 

Gesundheit: Ich bin nicht mehr ganz so fit wie vor zehn Jahren, aber die Empörung über die weltweite Ungerechtigkeit und die Ignoranz der herrschenden Politiker treibt mich immer wieder an. 

Hunger: Die globalen Herausforderungen, der Hunger, die Armut auf der Welt und die drohende Klimakatastrophe können nicht mit immer größeren Waffenarsenalen und nicht durch Großmachtrivalität gelöst werden, sondern nur durch internationale Zusammenarbeit. 

Initiative: Ich kann nicht zu Hause vor dem Fernseher sitzen, mir seelenruhig die Nachrichten über das Elend auf der Welt ansehen und nur die Faust in der Tasche ballen. 

Ja-Sager: Wenn man zu allen politischen Entscheidungen Ja sagt, ändert sich nie etwas.

Kreta: Einmal im Jahr fahre ich mit meiner Frau dorthin zum Wandern und Schwimmen im Meer.

Letzte Generation: Durch ihre Aktionen erreichen sie die öffentliche Aufmerksamkeit. Auf die Wissenschaftler hören die Politiker leider nicht. Ich bewundere den Mut dieser jungen Leute.

Militärausgaben: Weltweit werden 2100 Milliarden Dollar ausgegeben. Davon entfallen allein 1200 Milliarden auf die NATO. Nur ein Bruchteil davon würde reichen, um den weltweiten Hunger zu beenden, allen Menschen medizinische Versorgung und den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.

Neuhausen ist ein Stadtteil, den ich sehr mag. Ich lebe schon seit 1962 hier und betätige mich kommunalpolitisch, beispielsweise im Mieterschutz. 

Oel: In vielen Kriegen ging und geht es um den Zugriff auf die knapper werdenden Öl- und Gasressourcen oder um andere wichtige Rohstoffe.

Pazifismus: Im Gegensatz den Regierungsparteien, die die Kriege der NATO-Staaten gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen gerechtfertigt und unterstützt haben, treten wir kompromisslos gegen jede Anwendung militärischer Gewalt gegen andere Länder ein.

Querulant bin ich keiner. Ich engagiere mich für Abrüstung und eine gerechte Weltordnung. Damit sich was ändert, organisiere ich seit über 60 Jahren Veranstaltungen, Demonstrationen, schreibe Aufrufe und Artikel.

Russland: Russland führt einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, den wir aufs Schärfste verurteilen. Die einzige Alternative zu mehr Toten und weiterer Zerstörung ist ein sofortiger Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung.

Schlichten: Krieg ist keine Lösung. Konflikte müssen durch Verhandlungen gelöst werden. 

Tagung: In diesem Jahr wird der Schwerpunkt der SIKO sicher der Krieg in der Ukraine sein.

UNO: Sie wird im Sicherheitsrat von den gegensätzlichen Interessen der Vetomächte blockiert und UN-Resolutionen der Generalversammlung sind nicht bindend.

Verhaftet: Ich wurde mal bei der Blockade eines Naziaufmarsches verhaftet und saß zwei Tage in einer Zelle in der Ettstraße. Heute werden Aktivisten der letzten Generation zu langen Haftstrafen und zu hohen Geldstrafen verurteilt. 

Wütend macht mich die Politik unserer Regierung, aber auch die weitverbreitete Lethargie der Menschen. Große Protestbewegungen kommen selbst dann nicht zustande, wenn es den Leuten an den Geldbeutel geht.

X: Der Tag X wurde von uns schon ein paar Mal ausgerufen. Zum Beispiel vor dem Irak-Krieg, als unklar war, wann es losgehen würde, wir aber vorbereitet sein wollten. 

YPG: Das sind die kurdischen Selbstverteidigungskräfte, die den IS aus Nordsyrien vertrieben haben und sich jetzt gegen die Angriffe der Türkei verteidigen. Ich war zwischen 1986 und 1990 dreimal in Kurdistan und habe die verbrannten kurdischen Dörfer selbst gesehen.

Ziviler Ungehorsam ist ein legitimes Mittel des Protests, um beispielsweise Naziaufmärsche oder die Abholzung von Wäldern zu verhindern.

Mit dem Hallo München-Newsletter täglich zum Feierabend über die wichtigsten Geschichten aus der Isar-Metropole informiert.

Auch interessant

Kommentare