Er jagt mit seinem Team die Täter, die Münchner Senioren betrügen

Mit der AG Phänomene jagt er jene Übeltäter, die Mit dem Enkelkind-Trick oder als falsche Polizisten die Bevölkerung prellen: Hans-Peter Chloupek im Gespräch.
Seit knapp zweieinhalb Jahren leitet Hans-Peter Chloupek die Arbeitsgemeinschaft (AG) Phänomene: Münchens Spezialeinheit, welche die gut organisierten Banden jagt, die mit falschen Polizeibeamten und Schockanrufen Bürger um ihr Hab und Gut prellen. Heuer nimmt das Phänomen in München rasant zu: Schon in 31 Fällen waren die Täter erfolgreich.

Chloupek, der als Erster Kriminalhauptkommissar im Fachdezernat für Organisierte Kriminalität in Laim arbeitet, setzt auf Aufklärung und Prävention, um die Täter dingfest zu machen. Im Gespräch erläutert er, wie dreist Betrüger heutzutage vorgehen, welche Strafen sie erwarten und warum die Opfer oftmals doppelt leiden.
Hans-Peter Chloupek (56), Leiter der AG Phänomene bei der Polizei München, von A bis Z
Auflegen: Sofort, wenn am anderen Ende der Telefonleitung jemand sagt: „Hallo, hier ist die Polizei“. Weder bei lebensbedrohlichen Situationen im Familienkreis noch bei Einbrüchen in der Nachbarschaft rufen wir an, die Polizei fordert nie die Herausgabe von Geld oder Goldschmuck.
Betrugsprävention ist mein Anliegen. Wir wollen auch jüngere Familienmitglieder erreichen, damit sie Eltern, Oma und Opa, Tanten und Onkel vor diesen Betrugsanrufen warnen. Spezielle Infoabende zum Phänomen „Falsche Polizeibeamte“ bieten die Münchner Polizei-Dienststellen regelmäßig an.
Callcenter der Banden sind oft in der Türkei angesiedelt, in kleinen Hinterzimmern wie in professionellen Großraumbüros. Die Täter rufen tagsüber an, auch abends, am Wochenende, selten nachts. Es gibt keine spezielle Jahreszeit.
Dimension: Heuer verzeichnen wir schon im ersten Quartal vermehrt Schockanrufe. Sieben Mal wurde Beute übergeben, so viel wie 2021 insgesamt. Falsche Polizisten erbeuteten heuer schon in 31 Fällen Geld, Gold und Wertsachen. Im gesamten vergangenen Jahr waren sie in 93 Fällen erfolgreich. Etwa 4600 Fälle gab es 2021 insgesamt.
Erstmals ins Leben gerufen wurde die AG Phänomene im Mai 2017. Damals gingen in München die sogenannten „Enkeltrickbetrüger-Fälle“ auf null zurück – dann tauchte plötzlich das „Phänomen“ mit den falschen Polizeibeamten auf.
Falsche Polizisten erkennt man daran, dass sie weder Dienstausweis noch Dienstmarke vorweisen können.
Geheim bleibt unsere konkrete Arbeits- und Ermittlungsweise zu den Täterbanden, damit wir erfolgreich vorgehen können, um sie zu zerschlagen. Zum Teil dauert es bis zu einem Jahr, um an die Drahtzieher hier und auch in der Türkei zu kommen.
Höflichkeit ist leider zu Beginn der Gespräche ein Merkmal der Callcenter-Betrüger. Sie sind meist sehr gut geschult, sprechen gut Deutsch, sogar im Dialekt. Damit erschleichen sie sich mit den ersten Sätzen das Vertrauen der ahnungslosen Opfer.
Ich kenne jeden einzelnen Fall und freue mich über jeden Erfolg unserer AG. Etwa, dass 105 Millionen Euro Beute, zum Teil in Immobilien angelegt, derzeit in der Türkei sichergestellt sind und es gute Chancen gibt, einige Opfer hier in Deutschland zu entschädigen.
Jargon: „Keiler“ nennen wir die betrügerischen Anrufer. Es gibt mehrere, nicht immer ruft nur ein „Keiler“ an, oft wird ein zweiter eingesetzt, um den Druck auf die Opfer durch drastische Wortwahl oder lautes Anschreien zu erhöhen.
Kooperation: Wir sind in engem Austausch mit anderen Polizeidienststellen aller Bundesländer, zudem mit türkischen, schweizerischen, österreichischen und polnischen Behörden.
Leitsatz: Meiner ist: Das Opfer ist nicht schuld. Jeder kann auf die Betrüger reinfallen.
München: Wir arbeiten mit drei Staatsanwälten der Abteilung für Organisierte Kriminalität, den Gerichten und allen Münchner Dienststellen sehr vertrauensvoll zusammen, um die Täter dingfest zu machen.
Nicht einschüchtern lassen von Sätzen wie: „Wir sind bereits vor Ort, gleich kommt ein Kollege und holt Ihr Geld ab, das wir verwahren“. Immer gleich auflegen und sofort die echte Polizei rufen.
Opferanwälte sind extra in der Türkei dafür zuständig, dass Verfahrens-Fristen gegen die Banden eingehalten werden, nichts verjährt. Besonders mit Antalya und Izmir arbeiten wir eng zusammen.
Personal: In unserer AG gibt es 26 Kollegen aus allen Qualifikationsebenen der Münchner Polizei. Weil die Anruf-Betrüger zunehmen und immer raffinierter arbeiten, wären zwei oder drei zusätzliche Stellen zur Unterstützung gut.
Quote: Man schätzt, von 100 betrügerischen Anrufen erfolgt bei einem die Geldübergabe an die Täter.
Rate mal wer hier spricht? So starten die typischen Enkeltrick-Anrufe. Hier ist die Polizei, ihr Neffe ist im Ausland einen Unfall verwickelt – so beginnt ein Schockanruf.
Schnelligkeit zählt. Auch wir von der Münchner Polizei können innerhalb von Minuten nach Verständigung vor Ort sein, die Täter bei der Übergabe stellen.
Täter haben kein bestimmtes Profil, doch das Prinzip bleibt gleich: Sie erschleichen sich im Telefonat das Vertrauen, setzen Opfer unter Druck und fordern Schmuck oder Bargeld.
Unternehmen: Es gibt Techniker, die Rufnummern programmieren, Anrufer und Abholer, den obersten Boss, sowie „Angestellte“ wie Logistiker und Finanzexperten, die das ergaunerte Geld sofort anlegen, damit die Spur verwischt wird.
Verurteilt: In München werden auch Ersttäter regelmäßig zu hohen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Bei ausländischen Straftätern droht regelmäßig die Abschiebung aus Deutschland. Den Bossen in der Türkei drohen Haftstrafen in dreistelliger Höhe.
Wütend machen mich diese Betrüger, die unsere älteren Mitbürger nicht achten, sondern ihnen schaden. Die Opfer leiden nicht nur physisch, sondern auch psychisch.
X-trem bleibend ist für die Opfer das Schamgefühl, „reingefallen“ zu sein. Auch Vorhaltungen aus Familie und Umfeld belasten sie schwer. Es gab erst kürzlich einen Fall in München, bei dem ein Callcenter-Geschädigter Suizid beging – vor lauter Scham.
Y-Chromosom: Meist sind die Täter männlich, Anrufer wie Abholer. Aber es gibt nun auch jüngere Frauen, die als Abholer eingesetzt werden, die sich durch die Tat schnell verdientes Geld erhoffen.
Zufall: Speziell in meinem Berufsbereich glaube ich nicht dran. Die Opfer werden gezielt gesucht, etwa weil sie im Telefonbuch stehen, oder noch einen typisch alten Vornamen tragen, wie Wilhelm oder Erna.