„Verdrängen ist das Dümmste, was man tun kann.“ ‒ Der Münchner Schauspieler Maximilian Brückner im Gespräch

Im neuen Fernsehfilm spielt der gebürtige Münchner quasi einen Geist: In „Laufen“ kämpft sich seine Lebensgefährtin nach seinem Suizid über den Sport ins Leben zurück. Warum ihn die Rolle gereizt hat und womit ihm seine Kinder den Spiegel vorhalten, verrät er hier.
Herr Brückner, in „Laufen“ geht es um Themen, die nicht so viel Platz in der Gesellschaft haben, wie Tod, Trauer und auch Selbstmord. Finden Sie es wichtig, dass solche Geschichten im Fernsehen erzählt werden?
Natürlich, das wird auch immer mehr kommen. Weil diese Dinge immer mehr Teil unseres Lebens sind. Corona wirkte wie ein Katalysator. Dann kam der Angriffskrieg auf die Ukraine und ganz obendrauf kommt der Klimawandel. Die Welt ist endlich. Als ich klein war, dachte ich, sie wäre unendlich. Doch sie ist eigentlich schon drüber. Es kommen ganz viele Fragen auf und verdrängen ist das Dümmste, was man tun kann. Deswegen glaube ich, dass Themen wie der Tod, der unmittelbar in unserer Nähe passiert, wieder mehr in den Fokus müssen. Dem müssen wir uns stellen.
Der Film berührt, wirft viele Fragen auf. Gab es Dinge, die Ihnen schwergefallen sind bei den Dreharbeiten?
Ich spiele in dem Film eine kleine Rolle – sozusagen den Verstorbenen, der als Geist in der Geschichte ab und an auftaucht. Der Film wird mehr über andere Figuren erzählt. Durch sie bekommt der Zuschauer ein Gespür dafür, wie meine Figur gewesen ist. Die Frage nach dem Warum steht für die Hinterbliebenen immer da. Das ist, was einen so schockt. Ich spiele gerne Rollen, wo man überlegen muss, wie mache ich das. Manchmal scheitere ich daran, manchmal haut’s hin. Ich finde, man muss es probieren.
Für mich schwingt beim Film auch mit: Auch wenn es Krieg und Tod gibt, muss man sich die Freude bewahren.
Unbedingt. Ich kann es nur empfehlen, sich zu bewegen, seinen Körper zu spüren. Damit kann man mit vielem gut umgehen, es hilft einem.
Dann geht’s Ihnen vermutlich auch so, dass Sie beim Sport glücklich sind, zum Beispiel beim Surfen auf dem Eisbach.
Ja. An Themen wie im Film muss man ganzheitlich ran. Aber ich glaube, Sport ist ein guter Punkt, um anzufangen. Da muss jeder sein Ding finden. Mir macht es sehr viel Spaß.
In einem Interview haben Sie 2019 gesagt, dass Sie sich Gesundheit wünschen, für Ihre Familie und die Welt. Ein Wunsch, der in der Pandemie nochmal an Bedeutung gewonnen hat, oder?
Wir Menschen hatten eine wahnsinnig lange glückliche Zeit, haben das zum Teil vielleicht zu wenig geschätzt. Was es so katastrophal macht, ist, wenn alles so zusammenkommt. Und der Klimawandel ist eine Sache, die geht nicht mehr weg. Und das sitzt dann tief.
Damals haben Sie auch gesagt: Ich hoffe, dass die Menschen nicht „aus Unsicherheit komisch rechts werden“. In der Pandemie war das aus meiner Sicht zum Teil der Fall.
Es hat viel mit Angst und Verleugnung zu tun. Angst ist das Grundmotiv, sich einfach eine Welt zusammenzubauen, weil man die Realität nicht sehen will. Da steig ich nicht ein. Trotzdem sind es Menschen, die Einfluss auf unseren Alltag haben. Sie nehmen sich einen Teil der Realität raus, der für ihr Weltbild passt.
Es heißt, dass es die Idee Ihrer Eltern war, dass Sie Schauspieler werden. Sie haben zwei Kinder: Würden Sie deren beruflichen Weg beeinflussen wollen?
Ich glaube, das ist ein Riesenproblem, dass Eltern ihre Kinder beeinflussen, weil sie Träume, die sie selbst hatten, umsetzen wollen. Man muss schauen, wie jedes Kind tickt. Als Eltern hat man nur ein bisschen Einfluss auf die Höflichkeit und die Etikette. Wenn man ehrlich ist, kommen die Kinder so raus, wie sie sind. Da ist gar nicht so viel möglich (lacht). Im Grunde sind das schon fertige Charaktere. Das ist auch das Faszinierende. Man muss auf das jeweilige Kind eingehen, wo liegen die Stärken und Schwächen. Und nicht versuchen, die Schwächen zu kaschieren oder etwas zu erzwingen.
Mein Vater hat oft scherzhaft gesagt: Du kannst Kinder erziehen, wie du willst, sie machen einem doch alles nach.
(Lacht) Ja, das wollte ich auch noch sagen. Da kriegst du alles hingelegt. Das ist wie ein Spiegel, der die ganze Zeit vor dir rumläuft. Wir schimpfen die Kinder, sie sollen kein Handy in der Hand haben – und wer hat es in der Hand…
Ich habe gelesen, dass Sie stolz sind, Ihren Kindern irgendwann die „Wannseekonferenz“ zeigen zu können. War das ein entscheidendes Kriterium oder wonach wählen Sie Rollen aus?
Ich versuche, ganz verschiedene Sachen zu machen. Ich mag Comedy genauso wie einen Horrorfilm. Die „Wannseekonferenz“ war für mich ein Film, der eine unglaubliche Bedeutung hat. Vielleicht nehmen meine Kinder auch aus einer guten Komödie etwas mit heraus. Aber das ist Historie, so ist das passiert. Es ist einer meiner wichtigsten Filme.
Sie sind Münchner Schauspieler, aber bei Ihrer Rollenauswahl merkt man, dass Sie nicht so auf das Bayerische festgelegt sind.
Es ist ein Privileg, für das ich sehr dankbar bin. Die ist aber auch erarbeitet. Ich hätte natürlich wesentlich mehr in die eine Richtung machen können. Da muss man auch Sachen absagen und Mut haben. Um das Bild vom Surfen zu nutzen: Auf der Welle zu surfen und irgendwann hart auf dem Sand aufzuschlagen, wollte ich vermeiden.
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Zur Person
In München am 10. Januar 1979 geboren, absolvierte Maximilian Brückner seine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule. 2002 erhielt er sein erstes Engagement am Volkstheater. Zudem ist der 44-Jährige aus zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen bekannt: als Tatort-Kommissar im Saarland, in Doris Dörries „Kirschblüten -– Hanami“, Filmen wie „Das schönste Paar“ und „Wunderschön“. Prägend war seine Rolle in der Fernsehserie „Hindafing“, für die er den Bayerischen Fernsehpreis bekam.
Brückner lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern (*2017/*2019) in einem Mehrgenerationenhaus – zusammen mit seinen Eltern und mehreren Geschwistern. Ein Glücksfall in der Pandemie, wie er verrät: „Ich hatte die zwei Perspektiven, die nicht unterschiedlicher hätten sein können.“ Er war für Dreharbeiten in Berlin, als quasi nichts mehr erlaubt war, lief Kilometer durch die Stadt, um nicht in der Wohnung eingesperrt zu sein. „Zu Hause fand ich es angenehm. Es war ruhiger, reduziert – ich habe es sogar genossen.“
Sein neuer Film „Laufen“ ist am Montag, 24. April, ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen – und ab sofort in der Mediathek.
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