1. hallo-muenchen-de
  2. Hallo-Serien

Pflege ab dem ersten Zahn

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Dr. Jacqueline Esch arbeitet seit 20 Jahren als Kinderärztin.
Dr. Jacqueline Esch arbeitet seit 20 Jahren als Kinderärztin. © kn

Aus der Reihe "Medizin rund ums Kind": Eltern unterstützen ihre Kleinen bei der Zahngesundheit oft nicht lang genug

„Gesund in Serie“ – unter diesem Motto beleuchtet Hallo München wöchentlich Themen der Medizin. Aktuell dreht sich alles ums Kind – vom Embryo bis zum Heranwachsenden.

Frau Esch, sie arbeiten seit 20 Jahren in Obersendling als Kinderzahnärztin. Wie hat sich seitdem die Zahngesundheit von Kindern entwickelt?

Ich denke, Eltern achten heute mehr darauf als früher. Wir haben viele Kinder in unserer Praxis, die absolut kariesfrei sind. Das hat aber auch etwas mit dem sozialen Status zu tun und damit, wie sehr allgemein auf eine gesunde Lebensweise geachtet wird. Das Wichtigste ist, dass die Eltern ein Vorbild sind. Etwa indem sie zusammen mit den Kindern im Bad putzen und natürlich auch, indem sie nachputzen.

Nachputzen?

Es gibt viele Vier- oder Fünfjährige, die gern allein die Zähne putzen wollen und das auch tun. Aber in dem Alter haben sie nicht einmal die Motorik, um jeden Zahn rundum zu erreichen. Darum sollten Eltern etwa bis zum neunten Lebensjahr nachputzen. Und bei Zahnseide sogar bis zum elften Lebensjahr unterstützen. Dafür fehlt aber vielen das Bewusstsein. Wenn ein Kind mit Karies zu mir kommt, höre ich häufig: „Der putzt nicht gescheit“. Dabei müssen das die Eltern tun.

Ab wann sollten bei Kindern überhaupt die Zähne geputzt werden?

Eigentlich sollte ab dem ersten Zahn zwei Mal täglich – gründlich – geputzt werden. Dafür gibt es spezielle Babyzahnbürsten oder Fingerlinge aus Silikon. Übrigens ist dann auch schon ein erster Besuch beim Zahnarzt sinnvoll.

Muss es denn ein Kinderzahnarzt sein?

Es gibt jede Menge Erwachsenen-Zahnärzte, die gerne auch Kinder betreuen. Gerade bei den halbjährlich empfohlenen Kontrollen ist das auch kein Problem. Aber wenn etwas gemacht werden muss, haben Kinderzahnärzte natürlich eine spezielle Ausbildung – etwa bei der Sedierung. Sie können Lachgas, medikamentöse Sedierung oder Narkose einsetzen, um die Kinder gezielt zu beruhigen.

Wie oft ist das nötig?

Das kommt auf den Befund und die Kooperation des Kindes an. Eine Narkose braucht es selten, in unserer Praxis nur bei drei bis vier Prozent aller Behandlungen. Lachgas kommt bei zehn bis 15 Prozent vor.

Was ist das häufigste Problem bei Kindern?

Immer noch die klassische Karies. Am zweithäufigsten kommt übrigens inzwischen die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) vor – eine Mineralisierungsstörung, bei der der Zahnschmelz besonders weich und anfällig ist, die Zähne im schlimmsten Fall sogar einbrechen können. Gefühlt betrifft das in München inzwischen 15 Prozent der Kinder, davon wiederum zehn Prozent stark.

Was können Eltern dagegen tun?

Man kann nicht vorbeugen, weil man die Ursache für die Störung der schmelzbildenden Zellen nicht kennt. Es gibt viele Spekulationen: dass frühkindliche Infektionen eine Rolle spielen, Sauerstoffmangel bei der Geburt oder sogar die Gene. Wenn ein Kind MIH hat, kann es sinnvoll sein, an betroffenen Stellen Fluorid oder eine Mischung aus Calcium- und Phosphatproteinen anzuwenden, um die Zahnschmelzproduktion zu verbessern. Das hilft aber nur an der Oberfläche, für den tieferen Schmelz kann man derzeit nichts tun. Bei Einbrüchen sind Füllungen nötig.

Romy Ebert-Adeikis

Darauf sollten Eltern besonders achten

• Nicht nur das Essen zählt: „Eine große Rolle spielen zuckerhaltige Getränke“, sagt Esch. Neben Softdrinks sind auch vermeintlich gesunde Alternativen nicht immer gut – etwa Fruchtschorlen. „Ich habe auch schon Eltern erlebt, die glauben, Eistee sei Tee ohne Zucker und darum gesund.“ Beim Essen gilt: Feste Regeln einführen, zum Beispiel süßigkeitenfreie Uhrzeiten. „Süßes ganz zu verbieten ist meist kontraproduktiv“, weiß Esch.

• Milchzähne unterschätzen: Karies bei Kleinkindern wird oft unterschätzt. Schließlich fallen Milchzähne eh aus. „Der Zahnwechsel ist aber erst mit etwa 14 Jahren beendet“, so Esch. Ein Kariesloch kann also viele Jahre die Kinder begleiten. „Und die Karies auf andere Zähne übergreifen.“

• Lieber früh als spät: „Man sollte nicht erst zum Zahnarzt gehen, wenn etwas ist“, rät Esch. Wer schon in jungen Jahren regelmäßig – empfohlen wird zwei Mal im Jahr – zur Kontrolle geht, hat oft weniger Angst vorm Zahnarzt. Wenn meistens alles in Ordnung ist, sehen die Kinder dem Arztbesuch entspannter entgegen. „Man sollte unartigen Kindern aber auch nie mit dem Zahnarzt drohen.“

Auch interessant

Kommentare