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Renten-Schock in Bayern: Jeder 5. Rentner in der Armutsfalle - Zahlen sind besorgniserregend

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Von: Sebastian Horsch

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Die Gewerkschaften schlagen Alarm. Vielen Bayern reiche ihre Rente kaum zum Leben. Der DGB fordert deshalb einen Kurswechsel, der auch höhere Beiträge zur Folge hätte. 

München - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zeichnet ein düsteres Bild. „Der Blick auf die steigende Altersarmut in Bayern zeigt, dass die gesetzliche Rente für viele ältere Menschen nach wie vor nicht reicht, um den Lebensstandard zu sichern“, warnte die stellvertretende Vorsitzende Verena Di Pasquale bei der Vorstellung des DGB-Rentenreports für den Freistaat. Demnach lag die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2019 für Über-65-Jährige in Bayern bei 22 Prozent, bei den Frauen ist laut DGB sogar jede Vierte betroffen.

Dass die Armutsgefährdungsquote für Senioren laut DGB damit im Freistaat – anders als in anderen bundesweiten Statistiken – deutlich über dem gesamtgesellschaftlichen Durchschnitt (14,7 Prozent in Bayern) liegt, hängt laut DGB neben der statistischen Herangehensweise auch mit den durchschnittlich höheren Gehältern in Bayern zusammen.

Dramatische Entwicklung: 81 Prozent der Frauen bekommen weniger als 1.155 Euro gesetzliche Rente

Dramatisch zeichnet der DGB die Lage bei den Neurentnern. Demnach blieben 81 Prozent der Frauen und knapp 45 Prozent der Männer, die 2019 im Freistaat in Rente gingen, unterhalb der bayerischen Armutsgefährdungsschwelle von 1.155 Euro – jedenfalls, sofern man davon ausgeht, dass sie außer den Zahlbeträgen ihrer gesetzlichen Altersrente keine Einkünfte haben.

Gleichzeitig steige in Bayern auch die Zahl der Menschen, die Grundsicherung oder eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen. Im Jahr 2006 waren es laut DGB noch knapp 83.000, im Jahr 2019 bereits 126.000.

Was tun gegen die Altersarmut?

Um Altersarmut zu bekämpfen, fordert Di Pasquale einen „Kurswechsel in der Rentenpolitik“. Das Rentenniveau (aktuell 48,2 Prozent) müsse langfristig wieder auf über 50 Prozent steigen. Um das zu finanzieren, schlägt sie den Umbau der Rentenversicherung in eine Erwerbstätigenversicherung vor, in die zunächst auch Soloselbstständige und perspektivisch alle Erwerbstätigen einbezahlen sollen.

Dass auch steigende Beitragssätze die Folge wären, bestreitet Di Pasquale nicht. Die Erhöhung würde aber wohl „nur ein paar Prozentpunkte“ betragen. Zudem seien junge Menschen auch bereit, höhere Beiträge zu zahlen, wenn sie später selbst davon profitieren. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) lehnte die DGB-Forderungen ab, weil die Finanzierung „eine einseitige Belastung künftiger Generationen bedeutet“.

Rente mit 67? So sieht es in der Realität aus

Die Rente mit 67 solle zurückgenommen werden, forderte Di Pasquale. „Daneben ist es gute Arbeit, die vor Altersarmut schützt, das heißt sozialversicherungspflichtige und tarifgebundene Arbeit. Anstelle von Niedriglöhnen und Minijobs brauchen wir endlich mehr Sicherheit und Perspektiven in der Arbeitswelt“, sagte sie.

So sieht es bei den Neurentner in Bayern aus

2019 gingen Männer in Bayern laut DGB im Durchschnitt mit 64 Jahren in Rente und erhielten als Neurentner 1167 Euro im Monat. Im Alter von 65 Jahren waren nur 7 Prozent voll berufstätig. Langjährig Versicherte bekamen als Neurentner durchschnittlich 1.295 Euro, nach 45 Versicherungsjahren sogar 1534 Euro. Frauen beziehen laut DGB Bayern im Durchschnitt ein Drittel weniger Rente als Männer. Im Freistaat zahlen gegenwärtig 5,2 Millionen Beschäftigte Beiträge in die Rentenkasse ein. Rund 2,5 Millionen Menschen beziehen Altersrente.

Der Verein LichtBlick Seniorenhilfe erkennt in den Zahlen aus dem DGB-Report einen „rentenpolitischen Offenbarungseid“ und mahnte Reformen an. Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sagte hingegen, der Blick nur auf die gesetzliche Rente greife zu kurz. Das monatliche Haushaltsnettoeinkommen aller Ehepaare und Alleinstehenden im Alter ab 65 Jahren habe 2019 im Durchschnitt 2.207 Euro betragen.

Wer bekommt eine Erwerbsminderungs-Rente?

Eine Erwerbsminderungsrente erhalten Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können. Die Durchnittswerte lagen hier 2019 bei den Männern bei 883 Euro/Monat, bei den Frauen bei 780 Euro. Im Vergleich zu 2015 gab es damit zwar eine Steigerung (über 100 Euro), dennoch sind laut DGB viele Erwerbsgeminderte – 2019 waren das 11,3 Prozent der Neurentner – weiterhin gezwungen, zusätzlich Grundsicherung zu beantragen. Ende 2019 erhielten 126.096 Menschen in Bayern Grundsicherung im Alter (71.995) und bei Erwerbsminderung (54.101), 2006 waren es noch 82.833. Verena Di Pasquale, stellvertretende Vorsitzende des DGB Bayern, geht davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen noch rund ein Drittel höher sind. Aber viele würden sich schämen, Grundsicherung im Alter zu beantragen.

Was sind die Gründe für eine Erwerbsminderung?

Psychische Erkrankungen sind bei Männern (33,9 Prozent) und bei Frauen (44,7 Prozent) der häufigste Grund für eine Erwerbsminderung, Für Di Pasquale sind dafür die „Verdichtung, Flexibilisierung und Entgrenzung der Arbeitswelt“ (mit-) verantwortlich. Im Schnitt mussten Männer mit 53,2 Jahren erwerbsgemindert aus dem Arbeitsleben ausscheiden, Frauen bereits mit 52 Jahren. Weitere Hauptdiagnosen für die Erwerbsminderungsrente sind: Skelett/Muskeln (Männer 13,1 %, Frauen 14,1 %), Herz/Kreislauf (Männer 12,4 %, Frauen 6,1 %).

Renten-Schock für Millionen Deutsche – 2021 kaum Aussicht auf Rentenerhöhungen

So etwas hat es seit 2010 nicht mehr gegeben: eine Nullrunde bei den Renten? Nun hat sich auch Minister Hubertus Heil zu den Aussichten für dieses Jahr geäußert.

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