Abgehängt vom Unterricht: Auch diese Oberbayern hoffen auf Hilfe vom Digitalminister

Die 17-jährige Selina, die ihr Referat wegen schlechten Internets im Garten halten musste, ist kein Einzelfall. Nachdem Digitalminister Andreas Scheuer der Schülerin Hilfe angeboten hat, hoffen auch andere Oberbayern auf Unterstützung beim digitalen Unterricht.
Da hat sich Andreas Scheuer was eingebrockt: Der Bundesverkehrsminister, kraft seines Amtes auch für digitale Infrastruktur zuständig, hat vergangene Woche vom Fall der 17-jährigen Schülerin Selina Seebauer aus Vierkirchen (Kreis Dachau) gelesen, die im Schneetreiben draußen im Garten ihr Englisch-Referat abhalten musste – im Haus ist das Internet zu schlecht. Spontan bot Scheuer Hilfe an. Kleines Problem: Selina ist nicht die einzige Schülerin (fast) ohne Netz. Drei Beispiele aus Oberbayern, die nach Scheuer rufen.
Bruckmühler Schulleiter: Sorge vor dem Wechselunterricht
Bruckmühl – Walter Baier leitet das Gymnasium Bruckmühl (Kreis Rosenheim), eine Schule mit 750 Schülern und Schülerinnen, aber ohne Netz. Ja, so was gibt es noch. Maximal ein bis zwei Lehrer können aus der Schule heraus ihren Live-Unterricht in die Zimmer der Schüler senden. Versuchen es mehr, bricht alles zusammen. Die Lehrer haben also die strikte Weisung erhalten, zu Hause zu bleiben und von ihren privaten Anschlüssen daheim Digitalunterricht abhalten. Das funktioniert jetzt auch ganz gut.

Doch ab 1. Februar könnte die Schule ein Problem haben. Dann sollen die Abiturienten zurück in die Schule kommen, jeden Tag im Wechsel mal die eine, mal die andere Hälfte des Jahrgangs. Die Lehrer würden dann in den Klassenzimmern Wechselunterricht anbieten – eine Hälfte ist vor ihnen im Klassenraum, die andere Hälfte verfolgt den Unterricht am bildschirm daheim. So stellt es sich das Kultusministerium in der Theorie vor. In der Praxis wird es nicht gehen, weil nicht ein Dutzend Lehrer gleichzeitig streamen können.
Auch die übrigen Schüler der Jahrgänge 5 bis 11 werden dann nur noch sporadisch Digitalunterricht bekommen können. Denn ein Fachlehrer, der beispielsweise in der ersten Stunde einen Abikurs hat, kann ja schlecht zur 2. Stunde für den Unterricht der Klasse 6b nach Hause fahren. „Wir werden uns also mit Arbeitsaufträgen behelfen müssen“, sagt Baier.
Das Landratsamt Rosenheim bestätigt, die Situation sei „in der Tat nicht optimal“. Der Auftrag zum Anschluss an das Glasfasernetz sei bereits im vergangenen Jahr erteilt worden. „Geplant ist, dass die Bauarbeiten im zweiten Quartal 2021 durchgeführt werden.“
Familie aus Gmund: „Haben fast 5000 Euro investiert“
Gmund - Steffi Hafner wohnt in Schmerold-Holzschleife, einem Weiler bei Gmund (Kreis Miesbach). „Wir haben fast 5000 Euro investiert, damit unsere Söhne am Digitalunterricht teilnehmen können“, berichtet sie. Ein zweiter Laptop musste her, Drucker, vor allem aber ein Gigacube-Verstärker von Vodafone. Er steht jetzt auf dem Balkon, wegen der Feuchtigkeit umhüllt mit einem Handtuch.Kabel führen in die Zimmer der Söhne Vitus (13) und Quirin (12), damit diese dem digitalen Schulunterricht von Realschule und Gymnasium Miesbach folgen können.

Eigentlich würden sich die Hafners ja einen regulären Glasfaseranschluss der Telekom wünschen. Trotz vieler Versuche wurde daraus bisher nichts. Ein Problem: Der Weiler gehört ortsrechtlich zu Gmund, das Telefonnetz aber zu Miesbach. „Es freut mich ja für die Schülerin aus Vierkirchen, dass sie jetzt ein Glasfaserkabel erhält. Aber wir hätten es halt auch gerne“, sagt Steffi Hafner. dw
Kein Breitbandanschluss in Peißenberg: Söhne werden zum Lernen „ausgelagert“
Peißenberg – „Sehr geehrter Herr Scheuer, nachdem ich von Ihrer ,Soforthilfe’ für Fam. Seebauer aus Vierkirchen erfahren habe, versuche ich nun auch im Namen meiner Familie das Glück direkt bei Ihnen“ – so beginnt das Schreiben von Kerstin Härtle an den Bundesinternetminister. Die Härtles wohnen mit ihrer Landwirtschaft und angeschlossener Schreinerei im Außenbereich von Peißenberg (Kreis Weilheim-Schongau). Seit 2017 bemüht sich die Familie um einen Glasfaseranschluss – bisher vergebens. „Wir haben Datenraten von 6 bis 8 Mbit im Download“, sagt Kerstin Härtle. Das ist zu wenig für die beiden Söhne: Sohn Quirin studiert, ist aber derzeit auf reine Online-Lehre verwiesen. Der Sohn Elias versucht die BOS, derzeit nur im Digitalunterricht. So zumindest die Theorie. Wenn der Vater für seine Schreinerei online geht, bricht alles zusammen.

In der Praxis müssen beide Söhne „ausgelagert“ werden, zu Freunden oder auch zu Oma und Opa. Kerstin Härtle hofft, dass Scheuer auch hier helfen kann. „Wichtig ist uns auch, dass wir eine unterirdische Versorgung bekommen“, betont sie. Denn die bestehende Telefon-Oberleitung wurde schon des öfteren von unvorsichtigen Lkw-Fahrern gekappt.